VW will die Dieselsubventionen abschaffen – so die überraschende Meldung nach einem Interview von VW-Chef Müller im Handelsblatt. „Wenn der Umstieg auf umweltschonende E-Autos gelingen soll, kann der Diesel-Verbrennungsmotor nicht auf alle Zeiten weiter wie bisher subventioniert werden.“ [1] Wenig überraschend ist diese Feststellung, wenn man weiß, dass Volkswagen ein Finanzpolster (Gewinnrücklage) von 70 Milliarden Euro angelegt hat. Wenig überraschend ist auch, dass das Geld nur umgeleitet werden soll: von der Dieselsubventionierung hin zu staatlicher Finanzierung von Elektromobilität.
Es geht um viele Milliarden Euro, mit denen der Staat die Autoindustrie pampert.
(Foto/Montage ebenfalls Handelsblatt – auf Basis einer Anfrage der Fraktion Die LINKE im Bundestag[2]). Auf Basis der Konzernbilanz sind es ca. 1,7 Milliarden Euro, die Volkswagen in den Jahren 2011 bis 2016 erhalten hat – ohne die Dieselsubventionen, die ja indirekte Subventionen darstellen.
Auch bei den Unternehmen selbst geht es um sehr viel Geld, das nach dem Anspruch auf Maximalprofit nie genug sein kann. Man wundert sich, dass das Unternehmen die 25 Milliarden Euro Kosten inklusive Strafzahlungen für den Abgasbetrug scheinbar schmerzlos überwunden hat. Wer redet schon darüber, dass Städte wie Wolfsburg jährlich auf ca. 30 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen verzichten müssen, ähnlich die anderen monostrukturierten Unternehmensstandorte in Ingolstadt, Neckarsulm, Osnabrück, Emden, Kassel, Salzgitter, Braunschweig, Hannover und Zwickau. Wer redet schon darüber, dass einige tausend Leiharbeiter_innen nicht weiter beschäftigt werden? Wer redet schon über ein Sparprogramm im Volumen von über 3 Milliarden Euro pro Jahr, das im Wesentlichen durch Erhöhung der Arbeitsproduktivität erbracht wird? Wer redet schon über die Unsicherheiten, die mit diesem „Zukunftspakt“ verbunden sind? In In Salzgitter werden bisher Verbrennungsmotoren gebaut. In Zwickau sollen künftig nur noch Elektro-Autos gebaut werden. Die regionale Presse berichtet euphorisch über die Vereinbarung mit VW: „Rosige Zukunftsaussichten für Zwickau! Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (61, SPD) unterzeichnete Mittwoch eine milliardenschwere Kooperationsvereinbarung mit dem VW-Konzern. Dieser wird in den kommenden Jahren sagenhafte eine Milliarde Euro in seinen Standort in Zwickau-Mosel investieren.“ Der Chef von VW-Sachsen kündigt an: „Wir bekommen hier ein Alleinstellungsmerkmal in ganz Europa“, sagt aber nicht was passiert, wenn die Rechnung nicht aufgeht. Und umsonst ist das sowieso nicht: Volkswagen erwartet, so schreibt TAG24 dazu, dass VW damit auch „die Stadt in die Pflicht nimmt“: „Die Stadt soll also die Milliarden-Investition mit entsprechenden Fortschritten bei Themen wie Umwelt- und Klimaschutz, Infrastruktur und Bildung flankieren.“ Volkswagen will der Stadt dabei „behilflich“ sein und die Oberbürgermeisterin bedankt sich dafür devot.[3]
Aber 70 Milliarden Euro, in der Bilanz gut versteckt, sind von den Beschäftigten erarbeitet worden und stehen für die Zukunftsplanung zur Verfügung. Deshalb grinsen die Automanager und die Eigentümer auch ununterbrochen, selbst wenn ihre Reisetätigkeit in die USA etwas eingeschränkt ist. Sie kommen nicht mal dazu, die zwei schon inhaftierten Manager dort zu besuchen.
Die FDP-Generealsekretärin Nicola Beer hat VW-Chef Matthias Müller auf Twitter als „Diesel-Judas” bezeichnet. Wie kommt ein Mensch auf solche einen Vergleich? Wieso wendet die FDP jetzt die Provo-Strategie der AfD an?
Diesel-Judas – der tiefe Griff der FDP in die religiöse Mythologie
Judas Iskariot ist – nach dem Neuen Testament – für die Auslieferung von Jesus an die Römer und seine Kreuzigung verantwortlich. Judas wird als Schimpfwort und antijüdische Sündenbockprojektion gleichermaßen benutzt. Die Geschichte ist voll von diesem Mythos. Und es bleibt das Geheimnis von Frau Beer, warum sie zu solch unterirdischen Bezug und zu diesem verheerenden Mythos neigt.
Aufgeklärten Menschen ist klar: Jeder Mythos widerspricht wissenschaftlichen Weltbildern, wo es doch eigentlich darum geht, die Welt zu erkennen und zu verbessern.
Tatsächlich lenkt die FDP-Generalin mit ihrer Provokation davon ab, dass Volkswagen wie andere Unternehmen nicht wirklich gegen Subventionen sind, sondern für eine andere Verteilung der staatlichen Segnungen[4]. Die Autoindustrie möchte sich die Technologieänderung und neue Geschäftsmodelle vom Staat bezahlen lassen – die Profite werden nach diesem Modell natürlich weiterhin privatisiert. Mit den „neuen Geschäftsmodellen“ haben es die Autobosse übrigens auf die Umsätze des Öffentlichen Verkehrs abgesehen und nennen das demagogisch und populistisch „Demokratisierung der Mobilität“. Auch dazu brauchen sie die Unterstützung des Staates, den Abbau der Bahninfrastruktur und die Kürzung der Leistungen für den Öffentlichen Personennahverkehr. Viele Milliarden sind hier zu heben – am Ende natürlich von den Bürgerinnen und Bürgern zu zahlen. Die Autoindustrie braucht dazu aber auch die Unterstützung der Kommunen, schließlich geschieht vieles in deren Verantwortung. Dazu haben die Unternehmen strategische Partnerschaften abgeschlossen, am Ende zum Nachteil solcher Städte wie Hamburg, Dresden, Zwickau und Wolfsburg. Mit MOIA von Volkswagen und Moovel von Daimler sollen die Milliarden-Umsätze von Taxibetrieben und Öffentlichem Verkehr umgelenkt werden in die Kassen der Autoindustrie. Volkswagen will damit in den nächsten Jahren „einen signifikanten Anteil seines Umsatzes erwirtschaften“.
Typisch dummdreist kommt die AfD daher, die im Landtag von Sachsen-Anhalt einen Antrag gestellt hat unter dem Motto: „Deutschen Automobilbau vor Raubbau schützen“. Die Landesregierung soll sich im Bundesrat für eine Bestandsgarantie aller Arten von Verbrennungsmotoren bis 2050 einsetzen, Fahrverbote sollen verboten werden und der „deutsche Automobilbau“ soll „vor kurzfristigen klimapolitischen Eingriffen geschützt“ werden, um ihn „wettbewerbsfähig“ zu halten.
[1] http://www.handelsblatt.com/my/unternehmen/industrie/vw-chef-matthias-mueller-dieser-wahnsinn-ist-vorbei/20689360.html
[2] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/123/1812370.pdf
[3] https://www.zwickau.de/de/aktuelles/pressemitteilungen/500.php
[4] http://www.dw.com/de/vw-chef-matthias-m%C3%BCller-dieselsubventionen-abschaffen/a-41733797