13. März 2014, „Rendezvous mit Rosa“ bei einer Veranstaltung zur Eröffnung des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Neu Delhi
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Freunde!
Ich heiße Sie alle sehr herzlich willkommen zum Rendezvous mit der wundervollen Rosa Luxemburg im Namen der Stiftung, die die Ehre hat, den Namen Rosa Luxemburgs zu tragen.
Ich möchte ein wenig erklären, warum unsere Stiftung sich diesen Namen gewählt hat und warum das für uns Ehre und Verpflichtung ist.
Es gibt einige Persönlichkeiten aus der Wissenschaft, der Politik,
aus den Freiheitskämpfen der Völker, die vielen Menschen als Vorbild gelten!
Nelson Mandela wäre zu nennen, aus Ihrem Land sicher Mahatma Gandhi und der große Dichter Rabindranath Tagore.
Rosa Luxemburg ist uns Vorbild, weil sie sich ihr Leben lang entschieden gegen Krieg, gegen Nationalismus und gegen Unterdrückung engagierte,
weil sie für Demokratie und Sozialismus kämpfte:
theoretisch und praktisch, denn auch für sie muss Theorie immer politisch eingreifend sein!
Dieses ist eine wichtige Erfahrung für uns!
Das wird insbesondere deutlich an ihrem dialektischen Verständnis von Reform und Revolution,
von dem sie schreibt, dass es sich „nicht um verschiedenen Methoden, sondern um verschiedene Momente in der Entwicklung handelt, die sich bedingen und zugleich ausschließen wie Süd- und Nordpol, arm und reich, Bourgeoisie und Proletariat.“
Dieses Konzept revolutionärer Realpolitik ist Leitfaden der Bildungsarbeit unserer Stiftung.
Rosa Luxemburg ist Vorbild für uns wegen ihrer Liebe zu Freunden, zur Literatur,
zur Natur – diese Seite von ihr sehr schön nachzulesen in den „Briefen aus dem Gefängnis“.
Andere politische Stiftungen aus Deutschland ehren Personen entsprechend ihren Programmen und Traditionen, so die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD oder die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU.
Einzig der Partei Die Linke steht eine Stiftung nahe, die nach einer Frau benannt ist – das ist durchaus programmatisch für unsere Stiftung.
Rosa Luxemburg ist uns Vorbild, weil sie politisch das scheinbar Unmögliche wollte,
die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen,
die Überwindung des Kapitalismus –
und weil sie persönlich zugleich so bescheiden blieb.
Sie würde uns sagen, wenn sie uns hier sähe:
„Nicht einzelne Personen, sondern die Massen verändern den Lauf der Geschichte!“
Bert Brecht hat diese luxemburgische Kritik der bürgerlichen Geschichtsschreibung aufgenommen in dem Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“:
„Wer baute das siebentorige Theben? … Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? …
Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? …
Alle zehn Jahre ein großer Mann. Wer zahlte die Spesen? So viele Berichte so viele Fragen.“
Es ist dieses dialektische Denken, welches sie uns als ständige Aufgabe übertragen hat.
Für ihren Kampf für revolutionäre Veränderungen und
für eine von den Massen getragene revolutionäre Partei
musste Rosa Luxemburg für viele Jahre in Gefängnis:
1904 wegen Majestätsbeleidigung – es gab noch bis 1918 einen Kaiser in Deutschland;
1906 wegen „Aufreizung zum Klassenhass“
Ab 1907 war Rosa Luxemburg Lehrerin an der Parteischule für Ökonomie und Geschichte – und immer wieder im Streit mit den Führern der SPD,
die die Massen nicht wirklich einbeziehen und mobilisieren wollten.
1913 erschien ihr Buch „Die Akkumulation des Kapitals – ein Beitrag zur ökonomischen Erklärung des Imperialismus“ – übrigens mit vielen Beispielen aus Indien:
„Aber die tatsächliche Vorherrschaft nichtkapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse in den Ländern jener Produktionszweige (Kautschukplantagen) ergibt für das Kapital die Bestrebung, jene Länder und Gesellschaften unter seine Botmäßigkeit zu bringen, wobei die primitiven Verhältnisse so rasche und gewaltsame Griffe der Akkumulation ermöglichen, wie sie unter rein kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen ganz undenkbar wären.“
Dieses Buch ist von hoher Aktualität, wenn wir uns z.B. die Entwicklung der Automobilindustrie oder der Energiewirtschaft anschauen – die RLS hat sich intensiv mit diesem Sektor beschäftigt.
1914, vor 100 Jahren, begann der Erste Weltkrieg: Linke Sozialdemokraten, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und andere kämpfen kompromisslos gegen Aufrüstung und Krieg,
können sich damit in der Partei nicht durchsetzen.
Im Parlament stimmt die Sozialdemokratische Partei für Aufrüstung und Krieg – die internationale Solidarität wurde mit Füßen getreten.
Das ist der Bruch in der vormals revolutionären Sozialdemokratie:
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gründen die „Gruppe Internationale“,
den späteren Spartakusbund und agitieren weiter gegen den Krieg.
Dafür wurde sie im Februar 1915 wieder für drei Jahre ins Gefängnis geworfen.
1917 begrüßte sie die russische Oktoberrevolution und warnte vor Deformationen,
die ja tatsächlich den weiteren Verlauf der Geschichte bestimmten.
Sie warb als Redakteurin der „Roten Fahne“ lauter als je für eine Revolution in Deutschland, um Russland nicht allein zu lassen.
1918 im November begann diese Revolution, die das Ende der Monarchie in Deutschland bewirkte und in deren Verlauf am Jahresbeginn 1919 die Kommunistische Partei gegründet wurde.
Deren Programm war in großen teilen von Rosa Luxemburg geschrieben.
Die deutsche Bourgeoisie, die Nationalisten und Militaristen und die führenden Sozialdemokraten sahen durch die Arbeit von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ihre Macht unmittelbar bedroht.
Beide wurden am 15. Januar 1915 in Berlin ermordet.
Bert Brecht schrieb ein Gedicht – Grabinschrift 1919:
Die rote Rosa nun auch verschwand
wo sie liegt ist unbekannt.
Weil sie den Armen die Wahrheit gesagt
haben die Reichen sie aus der Welt gejagt.
Ihr Erbe u.a.: Die RLS und unsere Bildungs- und Vernetzungsarbeit / Internationalismus zur Emanzipation freier Menschen!