Volkswagen: Profit trotz Krise

Volkswagen AG trotz deutlichem Umsatzrückgang hochzufrieden mit dem abgelaufenen Jahr. Lob von den Grünen

VW-Finanzchef Frank Witter strahlte am Dienstag reichlich Stolz aus: »Im Jahr 2020 hat der Volkswagen-Konzern seine Robustheit unter Beweis gestellt, trotz der andauernden Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie. Mit einem operativen Ergebnis vor Sondereinflüssen von über zehn Milliarden Euro haben wir die Erwartungen aus der ersten Hochphase der Pandemie im Frühjahr 2020 deutlich übertroffen. Wir sind sehr zufrieden, dass der Volkswagen-Konzern trotz der Pandemie sein strategisches Ziel in 2020 erreicht hat«, sagte er auf der Bilanzkonferenz des Automobilmultis am Dienstag in Wolfsburg.

Aktionäre sahnen ab

Man kann sich schon verwundert die Augen reiben: Im weltweiten Produktionsverbund wurden 2020 mit 8,9 Millionen Fahrzeugen fast 20 Prozent weniger gebaut als im Vorjahr. Der Umsatz sank um zwölf Prozent auf 223 Milliarden Euro. Das Ergebnis (Gewinn) fiel mit 8,8 Milliarden Euro nach Steuern geringer aus als 2019. Und dennoch bleiben fast 1.000 Euro Reingewinn pro verkauftem Fahrzeug für den Konzern bzw. seine Aktionäre. Entsprechend hoch soll die Dividende ausfallen: 4,80 Euro pro Aktie – ebensoviel wie im Vorjahr. Rund 15.000 Euro trägt jeder der im Konzern Beschäftigten weltweit zu diesem Geldsegen für die Aktionäre bei. Ebenso die Steuerzahler, die direkte Subventionen – wie die Prämie für Elektroautos – genauso finanzieren wie die indirekten Subventionen, beispielsweise die reduzierte Dienstwagenbesteuerung. Die Gewinnrücklage des Konzerns wurde im abgelaufenen Jahr nochmals auf nunmehr 100 Milliarden Euro erhöht. Und dennoch sollen Personal- und Materialkosten um bis zu sieben Prozent oder zwei Milliarden Euro pro Jahr gesenkt werden.

Deutschlands größter Industriekonzern muss wegen der Emissionsvorgaben seine produzierten Fahrzeuge mit Elektromotoren ausstatten, um diese – und vor allem die Benzin- und Dieselfahrzeuge – künftig überhaupt noch verkaufen zu können. Zwar stellen E-Autos keine Mobilitätswende dar, sondern sind Voraussetzung für den weiteren Vertrieb leistungsstarker privater Pkw – insbesondere den vielkritisierten SUVs (Sports Utility Vehicles). Dennoch fanden ausgerechnet die Grünen Lob für den Konzern: »VW übernimmt Verantwortung für den Automobilstandort Deutschland und Europa«, so der Fraktionsvize der Bündnisgrünen im Bundestag, Oliver Krischer. »So werden Arbeitsplätze erhalten«, zitierte ihn Die Zeit am Montag.

Es gilt die Kapitallogik

Unternehmensziel ist (nach Kapitallogik) nicht der Klimaschutz oder die Sicherung von Arbeitsplätzen, sondern der aktuelle und künftige Profit. Dafür werden Kosten gesenkt, die Reichweite und Performance der Autos gesteigert. Deshalb, und um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, soll eine eigene Batteriezellenproduktion in sechs neuen Fabriken aufgebaut werden, die erste im niedersächsischen Salzgitter. Im Endausbau sollen hier Batteriezellen mit einem Energiegesamtwert von 240 Gigawattstunden pro Jahr entstehen – das ist weit mehr als die installierte Leistung aller Kraftwerke in Deutschland. Damit, so das Unternehmen, würden Elektroautos erschwinglich. Die Batteriekosten sänken um bis zu 50 Prozent.

VW-Vorstandsboss Herbert Diess sagte bei einer der Konkurrenz nachgemachten Veranstaltung namens »Power Day« einen Tag vor der Bilanzpressekonferenz: »Elektrifizierung und Digitalisierung verändern das Auto schneller und radikaler als je zuvor. Für beide Themen sind Skaleneffekte absolut entscheidend. Unsere Elektroplattform wird mit der Produktion in Europa, China und USA weltweit skaliert. Das gute Abschneiden im Krisenjahr 2020 gibt uns dafür zusätzlichen Rückenwind.« Skalieren heißt vor allem, hohe Stückzahlen zu produzieren und die Märkte mit Autos zu überschwemmen. Anders sind die Kosten nicht wieder hereinzuholen – der »Return of Invest«, wie die Hauptbuchhalter das nennen.

Weiter will der Konzern parallel zu anderen ein eigenes Ladenetz aufbauen. 18.000 Schnelladepunkte in einem europäischen Netz sollen entstehen, 17.000 in China. Von sinnvoller Planung und Normung sind Unternehmen und Regierungen wie immer ziemlich weit entfernt, weil sie sich ja gegenseitig Konkurrenz machen. Energie und Energiemanagement werden so zu einem neuen Geschäftsfeld, zu einer neuen und weiteren Profitquelle.

Jobkiller E-Mobil

Wie prognostiziert, erweist sich der Umbau hin zur Elektromobilität als Jobkiller. Um fast 7.000 Beschäftigte ist die VW-Belegschaft im Jahr 2020 gesunken – mehr als 3.000 im Inland und mehr als 3.500 an den ausländischen Standorten – Leiharbeiter und Werkvertragsbeschäftigte noch gar nicht mitgerechnet. Dieser Trend soll sich fortsetzen. Der Abbau weiterer 4.000 Arbeitsplätze ist angekündigt und wird durch Einstellungsstopp und eine ausgeweitete Altersteilzeit zügig umgesetzt. Volkswagen will den Krieg um Märkte und Kunden mit all seiner ökonomischen Macht gewinnen. Im kleiner gewordenen Markt, bei geringerer zahlungskräftiger Nachfrage kann das nur zu Lasten anderer Belegschaften gehen. So oder so: Es werden frostige Zeiten auf die Beschäftigten zukommen.

Junge Welt, 17.3.2021

https://www.jungewelt.de/artikel/398755.automobilbranche-profitabel-trotz-kise.html

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