Die Einheitsgewerkschaft – hüten wie unseren Augapfel!

Ein Manuskript von mir für die Landesarbeitsgemeinsschaft Betrieb & Gewerkschaft der Partei DIE LINKE in Sachsen-Anhalt vom Februar 2018.

Geschichte und Bedeutung der Einheitsgewerkschaft in Deutschland mit Bezug zu den aktuellen sozialen Auseinandersetzungen in unserem Land, von Moderniesierungsverlierern und urbanen Milieus, von Klassenmacht, Interessen und Kämpfen unserer Tage.

Traditionell waren Gewerkschaften in Berufsverbände (Berufsgewerkschaften), regional und in weltanschauliche Richtungen „zersplittert“ bzw. wurden als solche erst gegründet. Karl Marx: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch! Eine Gewerkschaft, so die Idee, für alle abhängig Beschäftigten, um die Konkurrenz der Beschäftigten um Arbeit ausschalten, um Lohnsenkungen und Arbeitszeitverlängerung zu vermeiden. Notwendig war und ist dieses zur politischen und ökonomischen Emanzipation der Arbeiterklasse wie vor 150 Jahren: Solidarität statt Konkurrenz – ansonsten sind wir nicht in der Lage, uns gegen die Willkür des Kapitals durchzusetzen. Nach örtlichen Zusammenschlüssen von Beschäftigten zum Beispiel in Arbeiterbildungsvereinen gab es zunächst überörtliche Zusammenschlüsse von Berufsgewerkschaften, dann Entwicklung zu Branchengewerkschaften (z.B. Metallarbeiterverband) – die Trennung in weltanschauliche Richtungen blieb leider erhalten: als „freie“ und „sozialistische“ (sozialdemokratische) der ADGB, als „liberale“ Gewerkschaften die Hirsch-Dunckerschen „Gewerkvereine“ sowie „christliche“ Gewerkschaften – letztere explizit gegen die freien, sozialistischen Gewerkschaften.

Richtungsgewerkschaften (inkl. RGO, zunächst eine „Strömung“ im ADGB, später ab 1930 KPD-nahe Gewerkschaft mit eigenen Industrieverbänden) in der Weimarer Republik führten dazu, dass kein effektiver Widerstand gegen die Machtübergabe an die Nazis geleistet werden konnt. Diese Niederlage im Kampf gegen Faschismus führte dann zu einem Wiedersehen der vormals uneinigen Gewerkschafter, aber auch der Mitglieder von KPD und SPD, im KZ,

Der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Wilhelm Leuschner mahnte kurz vor seiner Hinrichtung am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee: „Schafft die Einheit“. Die Väter und Mütter der nach 1945 wieder gegründeten Gewerkschaft, Hans Böckler, Otto Brenner und Willi Bleicher riefen dazu auf, „die Einheit zu hüten wie unseren Augapfel“. Grundlegend für die Einheitsgewerkschaft war und ist die Aufhebung der Spaltung, die zur Niederlage im Kampf gegen den Faschismus geführt hat. „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“!

In der BRD hat sich der DGB nach britischem Vorbild und nach Anweisung der Alliierten als Dach von Branchengewerkschaften entwickelt. Er hatte immer auch die allgemeinen Interessen der lohnabhängig Beschäftigten zu vertreten mit dem ausdrücklichen allgemeinpolitischen Mandat. Einen Streit gab es mit der Angestelltengewerkschaft (DAG), die den DGB zunächst und für 40 Jahre verließ, als der Grundsatz „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“ durchgesetzt werden sollte. Inzwischen ist die DAG in Verdi aufgegangen.

In der DDR gelang es aufgrund von autoritären Strukturen und Dogmatismus (Gewerkschaft als Transmissionsriemen der Partei) nicht, die Widersprüche zwischen lohnabhängiger Arbeit einerseits und „Volkseigenen Betrieben“ andererseits produktiv zu bearbeiten. Der FDGB wurde eine gewerkschaftliche Hülle mit Zuständigkeit überwiegend für „Planerfüllung“, Freizeit und Erholung.

Mit Beginn der neoliberalen Offensive, der „geistig-moralischen Wende“ Helmut Kohls, ging die Schwächung des DGB einher. Ebenso ging es mit den Antigewerkschaftsprogrammen von Thatcher in Großbritannien und Reagan in den USA. Fortgesetzt wurde dieser Kurs mit der Schaffung des Niedriglohnsektors (Agenda 2010), der Gründung „gelber Gewerkschaften“ wie AUB bei Siemens oder solchen wie der sogenannten „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“, die von den Unternehmen selbst gegründet wurden, um Gefälligkeitstarifverträge abzuschließen.

Es gibt einige andere ältere Gewerkschaften, die sich, überwiegend als Standesorganisationen der Beamten, der Idee der Einheitsgewerkschaft nach 1945 verweigert haben und in der alten BRD randständig blieben wie der sogenannte Christliche Gewerkschaftsbund mit starken Bezügen zur CDU, aber auch die Gewerkschaft der Lokomotivführer, wo ja schon im Namen der Stand der „Lokomotivführer“ alle anderen Eisenbahner_innen eigentlich und ursprünglich ausschließt. Diese Gewerkschaften haben sich, wie auch der ehemalige Deutsche Postverband, heute DPVKomm, im Beamtenbund zusammengeschlossen. Dazu gehören solch obskure Vereine wie die DPolG eines Herrn Wendt, der Philologenverband, die „Deutsche Justiz-Gewerkschaft“, die „Katholische Erziehergemeinschaft“, die „Gewerkschaft für das Gesundheitswesen in Bayern“ und etwa 30 weitere Klein- und Kleinstgewerkschaften.

Der Anschluss der DDR an die BRD führte zum „Wilden Osten“, nach den fröhlichen „Wochen der Anarchie“ wurde enteignet, privatisiert und deindustrialisiert, was das Zeug hält. bei Beschäftigten machte sich die Enttäuschung breit, dass Gewerkschaften das nicht verhindern konnten. Es entstanden gewerkschafts- und tariffreie Zonen, Sachsen-Anhalt warb mit Niedriglohn um Investitionen. Längere Arbeitszeiten und geringere Entlohnung führten jedoch keineswegs zu neuer Blüte, sondern zur Abwanderung von hunderttausenden Menschen. Die Tarifbindung ist bis heute gering. Der Zusammenhang von Organisationsgrad, Betriebsräten und Tarifbindung ist offenbar.

Auch in der Partei Die LINKE ist es nicht selbstverständlich, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein! Entsprechend gibt es zu wenig Verständnis für Gewerkschaftsarbeit, für Betriebsarbeit, Tarifpolitik und Betriebsräte! Der politischen Ökonomie als Analysemethode wird zu wenig Bedeutung beigemessen.

Unsere dringendsten sozialpolitischen Forderungen sind:

  • Leiharbeit verbieten – gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
  • Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen.
  • Angleichung von Löhnen und Arbeitszeit an die Tarife in den westdeutschen Ländern – Schluss mit der Demütigung der arbeitenden Menschen in unserem Land. Das beugt dem Fachkräftemangel und der Abwanderung in andere Länder vor. Die Produktivität in Sachsen-Anhalt ist nicht geringer als in Niedersachsen.
  • Wirtschaftsförderung an Tarifbindung koppeln, Subventionserschleichung sanktionieren.
  • Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen muss zur Norm werden.
  • Keine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit – der gesetzliche 8-Stunden-Tag darf nicht aufgelöst werden.
  • Gewerkschaften und Tarifbindung stützen und stärken.

Als verbindende Partei sollten wir linke Gewerkschaftspolitik forcieren (das schließt eine Kritik an sozialpartnerschaftlichem Verhalten der Führungen von DGB, IGM, verdi etc. ein), treibender Teil von Gewerkschaften gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und ein neues Normalarbeitsverhältnis sein und den Widerstand gegen neoliberale Zumutungen, gegen die soziale Spaltung in unserem Land organisieren. Das ist auch deshalb dringend, weil die AfD darum bemüht ist, in den Betrieben Fuß zu fassen, „Betriebsgruppen“ bzw. „Gewerkschaften“ zu gründen bzw. zu kapern (Höcke und andere).

Eine ihrer Initiativen (der AfD) schreibt u.a.: „Das Establishment hat seine Gesinnungswächter auch am Fließband, im Büro und in der Werkstatt untergebracht: Am Arbeitsplatz wachen linke Betriebsräte und Gedankenpolizisten über jedes kritische Wort. Die linken Gewerkschaften werden sich die Macht nicht einfach nehmen lassen: Seit Jahren sitzen ihre Betriebsrats-Fürsten mit satten Gehältern in den Chefetagen und intrigieren um die Macht. Damit ist jetzt Schluss: Um diese Willkür zu beenden, werden wir eigene Kandidaten und Vertrauensleute in den Betrieben wählen. So gewinnen wir unsere Selbstbestimmung zurück und entmachten zeitgleich das Kartell der Gesinnungswächter. Wir müssen der internationalistischen Linken die Stirn bieten.“ Einer ihrer Frontleute spricht davon, die IG Metall sei das Problem – nicht der Arbeitgeber, man müsse und werde „die Pharisäer der IG Metall vom Hof zu jagen“.

Die Debatte über unsere Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ist dringend und muss dringend geführt werden. Dabei geht es nicht um die Konstruktion von Gegensätzen zwischen „Modernisierungsverlierern“ und „urbanen Milieus“, sondern um den antagonistischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, um die Rolle von Partei und Gewerkschaft in diesen Klassenauseinandersetzungen. Dann ist es eben nicht beliebig, ob jemand zur Einheitsgewerkschaft steht oder dem (neo-)liberalen „Gewerkschaftspluralismus“ das Wort redet – dem Gegenteil von gemeinsamer Interessenvertretung. Selbstverständlich leisten sich Arbeitgeber keinen „Pluralismus“, wenn es z.B. um Lohnforderungen geht – sie sind einstimmig dagegen: BDI, BDA, öffentliche Arbeitgeber und die Branchenverbände der Industrie haben nur Interesse an geringen Kosten (Lohn, Arbeitszeit, Urlaub usw.). Wir dagegen sind viele Individuen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, aber mit gemeinsamen Interessen: Gute und sichere Arbeit, Respekt, gute Entlohnung für ein gutes Leben – überall, weltweit! Das bringt die Einheitsgewerkschaft zusammen und auf die Waage im Klassenkampf!

Im Programm der Partei Die LINKE heißt es u.a.: „Für die Entstehung und Durchsetzung von Klassenmacht sind gewerkschaftliche und politische Organisationen erforderlich, in denen gemeinsame Interessen formuliert und Kämpfe zu ihrer Durchsetzung geführt werden. Es ist Aufgabe der Partei DIE LINKE, diesen Prozess bewusst und aktiv zu fördern.“

http://www.dgb.de/themen/++co++81e12f6e-cd50-11e4-bcff-52540023ef1a

https://www.boeckler.de/20443_20456.htm

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