Nach dem Abgasbetrug: Frontalangriff auf den VW-Betriebsrat

Im Gespräch mit dem HANDELSBLATT (30.11.2017) offenbart Volkswagens Anführer, Herbert Diess, seine tiefe Abneigung gegenüber der Mitbestimmung, dem Betriebsrat und der IG Metall. Den Betriebsrat erklärt er zu einer mächtigen Institution im Unternehmen und als solchen gleich mitverantwortlich für Stillstand, Kadavergehorsam und mehr Reformbedarf, „als mancher vielleicht wahrhaben möchte“.

„Alles wird ruppiger“, sagt Diess auf die Frage nach der Zukunft der Autoindustrie in Deutschland. Es müsse schneller entschieden werden und dafür brauchen die Manager Freiräume – in der Logik der Argumentation ist das der Ruf nach dem Ende der Mitbestimmung der Beschäftigten und ihrer betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung. Wenngleich im Betrieb die Demokratie abgebaut wird, so soll zumindest das Image stimmen: Die Mobilität würde neu erfunden und „demokratisiert“ – so die wohlfeile Einvernahme der tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen für die Legitimation von Maximalprofiten für die Eigentümer. Autos müssten „Spaß machen“ und „die Intelligenz des Autos“ würde zum Wettbewerbsfaktor – das alles wird als modern und innovativ von dem VW-Markenboss verkauft, und ist doch nur ein dritter Aufguss der Benzin-im-Blut-Ideologie von Porsche-Enkel Ferdinand Piëch. Dieser wird von Diess denn auch über den Klee gelobt: „Piëch ist für mich jemand, der Unglaubliches geleistet hat. Erst bei Porsche, dann bei Audi und später im gesamten Konzern.“ Ganz im Sinne der Profiterwartungen dieser Großeigentümer bedauert er, dass es ihm in Verhandlungen mit Betriebsrat und IG Metall nicht gelungen ist, alle Leiharbeiter vor die Tür zu setzen: „Bei der Auseinandersetzung um die Weiterbeschäftigung der Leiharbeitskräfte hätten wir für das Unternehmen eine andere Lösung gebraucht.“

25 Prozent Produktivitätssteigerung trotz 70 Milliarden Euro Gewinnrücklagen!

Neben dem direkten Angriff auf den „mächtigen“ Betriebsrat greift er indirekt, über Bande sozusagen, nochmals an: „Die Mitbestimmung ist gesetzt und ein hohes Gut. Die Frage ist, wie integer und diszipliniert beide Seiten damit umgehen. … Wir brauchen bis 2020 in Deutschland eine Produktivitätssteigerung von 25 Prozent. Das ist für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend. Allein das ist schon eine riesige Herausforderung für einen Betriebsrat. … Meine Kritik geht in eine andere Richtung. Das Management hat sich in der Vergangenheit aufgrund der Machtverhältnisse bei VW zu sehr mit den Verhältnissen abgefunden und abgewartet. Was sagt Herr Piëch, was der Betriebsrat? Das ist eindeutig zu wenig. Es gab so etwas wie vorauseilenden Gehorsam. Dadurch fehlte in der Führungsmannschaft zu oft die gestalterische Auseinandersetzung. Darüber rede ich mit dem Management. Wir müssen stärker gestalten und uns einbringen. Wenn das nicht passiert, ist es völlig verständlich, dass sich der Betriebsrat diesen Platz nimmt.“ So umschmeichelt er den Betriebsrat und rügt das Management und kündigt den Schulterschluss mit der Gewerkschaft auf: Der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Management sei „überraschend hoch“.

Herbert Diess, in München geboren, von 1977 bis 1989 studiert (Dipl. Ing) und promoviert (Dr. Ing.), danach sieben Jahre bei der Robert-Bosch GmbH in verschiedenen Funktionen tätig, von 1996 bis 2015 bei BMW bis zum Vorstandsmitglied aufgestiegen, seit Juli 2015 Vorstand bei Volkswagen und Chef der Marke VW PKW.

Die WIRTSCHAFTSWOCHE weiß schon im Juni 2015 zu berichten: Der Manager verdankt den neuen Top-Job, den er auch antrat, weil er bei BMW das Rennen um die Nachfolge von Konzernchef Norbert Reithofer gegen Produktionsvorstand Harald Krüger verlor, seinem Ruf als Kostendrücker. Seiner Bestellung sollen mehrere persönliche Treffen mit Winterkorn und Ferdinand Piëch, bis April Aufsichtsratschef des Konzerns, vorangegangen sein.

Trotz 70 Milliarden Gewinnrücklagen: Personalabbau und Arbeitsverdichtung

Am 17.11.2017 berichtete Volkswagen über eine positive Zwischenbilanz nach einem Jahr „Zukunftspakt“. In den ersten 10 Monaten des Jahres 2017 seien bereits 1,9 Milliarden Euro eingespart worden – nur bei der Marke Volkswagen! Auch bei der Altersteilzeit sei das Unternehmen „auf Kurs“: „Das Ziel für 2020 ist bereits zu 94 Prozent erreicht.“ Ab 2020 sollen 25 Prozent Produktivitätserhöhung zu einem „positiven Ergebniseffekt von jährlich 3,7 Milliarden Euro führen und die Marke deutlich effizienter und wettbewerbsfähiger machen.“ Vom jährlichen „Ergebniseffekt“ (Profitsteigerung) von 3,7 Milliarden Euro sollen 3 Milliarden Euro von den deutschen Standorten erbracht werden, insgesamt sollen, ebenfalls an den deutschen Strandorten, 23.000 direkte Arbeitsplätze bei VW abgebaut werden.

Personalvorstand Karl-Heinz Blessing, einst Bundesgeschäftsführer der SPD, erklärt: „Ein Kernelement des Zukunftspaktes ist die personelle Transformation. Hier sind wir sehr gut unterwegs. Wir erreichen das Altersteilzeit-Ziel für 2020 von insgesamt 9.200 unterschriebenen Verträgen bereits Ende 2017, wir setzen die Stellenreduktion in nicht zukunftsfesten Aufgaben fort und fahren die Leiharbeit zurück.“

Es ist absehbar, dass die Situation bei VW nicht nur für die Beschäftigten  strssiger wird, sondern auch für den Betriebsrat. Der muss sich dann bald entscheiden, ob er die Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch das Management des Porsche-Piëch-Clans an- und ernstnehmen oder die Linie des Co-Managements fortsetzen will.

 

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