Volkswirtschaftliche und politische Dimensionen von Arbeitszeitpolitik

Vortrag im AK III der Bundestagsfraktion Die LINKE am 10.3.2016 (Stichworte)

Fragestellung:  Chancen für eine kollektive Arbeitszeitverkürzung
Welche Debatten/Ansätze gibt es hierzu in den Gewerkschaften?
Wie werden die Chancen für eine kollektive Arbeitszeitverkürzung eingeschätzt?
Welche flankierenden Rollen können der Gesetzgeber und welche die Partei übernehmen, da Arbeitszeitverkürzung primär Aufgabe der Tarifvertragsparteien ist?
I.
Betriebsversammlung bei VW vor zwei Tagen: Angst vor Arbeitsplatzverlust wegen Verkaufsrückgängen, über 1000 Leiharbeiter nicht verlängert – Hoffnung auf Arbeitszeitverkürzung (Kurzarbeit).
1994 > 28,8-Stunden-/4-Tage-Woche: keine mehrheitliche Zustimmung / 2004 Rückkehr zur 35-Stunden-Woche > Trauer um Verlust der freien Zeit! Bedeutung von Erfahrungen / Erlebnissen bei Arbeitszeitdauer und Arbeitszeitgestaltung!

Thema hat Konjunktur(Europaweit, Frankreich): Manuela Schwesig, Heide Pfarr (WSI), Jutta Allmendinger (WZB), Kerstin Jürgens (Uni Kassel, HBS „Arbeit der Zukunft“) …
Arbeitgeberangriff auf den 8-Stunden-Tag  >ohne Kampf um AZ-Verkürzung  droht AZ-Verlängerung
Arbeitszeitverkürzung = nicht nur Erwerbsarbeit, Gesellschaftliche Arbeitsteilung ändern!

II.
Zu Debatten / Ansätzen Gewerkschaft haben Hilde Wagner und Sylvia Skrabs schon gesprochen, ergänzend:
–                    Zeitsouveränität / Autonomie sind gut, aber kein Ersatz für kollektive AZVerkürzung.
–                    Kampf um die Arbeitszeit seit 200 Jahren im Mittelpunkt – schwieriger als Lohnkampf/Opfer
1. Mai Haymarket 1886
Seit 2003 (Niederlage im Osten) ist Stillstand = Rückgang / Verteidigung, unterbliebener Personalausgleich in schlechter Erinnerung
–                    Basis (VL) drängt auf AZV > Krisenerfahrungen 2009, Konkurrenz im Betrieb, Angst vor Hartz IV,           Anträge IGM Gewerkschaftstag (35-Stunden im Osten), Mechanismus: Klein kochen

III.
Zur Ökonomie (ganz kurz) aus der reichen BRD:
–                    Erwerbslosigkeit kostet 60 Mrd. € p.a. (Transfer, Steuer und SV-Beiträge)
–                    Arbeitnehmer (Mio.) und Arbeitsvolumen (Mrd. Stunden)

1991 – 35,3
2014 – 38,3
+ 3 Mio. AN

Arbeitsvolumen (Mrd. Std.)
1991 – 52,1
2014 – 49,7
– 2,4 Mrd. Std.

–                    In längerer Reihe würde das deutlicher werden:  Trotz Outputerhöhung und Exportbooms sinkt          das Arbeitsvolumen als Ergebnis von Produktivitätssteigerungen (Industrie 4.0)
–                    Das Ergebnis sind 3,5 Mio. Erwerbslose, 10 Mio. Unterbeschäftigte, prekäre Arbeit und Hartz IV.
–                    Die durchschnittliche Arbeitszeit aller Arbeitnehmer_innen beträgt ca. 30 Stunden/Woche.
–                    Betriebliche Umsetzung  > Arbeitsorganisation, leicht möglich.

IV.
–                    Es geht nicht um Ökonomie, sondern um Macht! > Kampf um den 8-Stunden-Tag!
–                    Ständige Verfügbarkeit , Reservearmee, Beibehaltung oder Überwindung von Hartz IV
–                    Gerechtigkeit (time-gap und pay-gap, Teilzeitfalle, Armut ist weiblich!)

V.
                    AZ ist politisches und tarifliches Terrain! Arbeitszeitgesetz, Mutterschutzgesetz, Jugendschutzgesetz,                 Bundesurlaubsgesetz, Altersteilzeitgesetz, Teilzeit und Befristungsgesetz …
–                    8-Stunden-Tag seit 1918 Gesetz, 40-Stunden-Woche nur tariflich, 35 Std. nur tariflich/sektoral.
–                    AZ ist politisch, weil Tarifverträge (und Betriebsvereinbarungen) immer weniger greifen (wie beim >                 Mindestlohn)
–                    Gewerkschaften brauchen politischen Flankenschutz > gegen die Angriffe der Arbeitgeber, für                 weitergehende               Forderungen

Parteiprogramm Die Linke.
DIE LINKE steht für die Umverteilung von Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung, für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit und einen existenzsichernden, gesetzlichen Mindestlohn. …
Wir fordern (ja wohl nicht als Forderung an die Gewerkschaften) als dringend notwendigen Schritt eine drastische Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, zugleich das Recht auf Arbeit und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. …
Dazu müssen die Arbeitszeiten bei zunehmender Produktivität ohne Einkommensverlust fortschreitend verkürzt werden. …
Durch die Reform des Arbeitszeitgesetzes soll die höchstzulässige durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden begrenzt werden. Perspektivisch streben wir eine Obergrenze von 35 Stunden, längerfristig von 30 Stunden an.

Gute programmatische Positionen /Ansätze, aber keine Umsetzung:

–        Kampagne: „Arbeit umverteilen statt Dauerstress und Existenzangst. Viele Menschen arbeiten in unfreiwilliger Teilzeit oder Minijobs, während andere unter Überstunden und Dauerstress leiden. Wir wollen diese Arbeit umverteilen und mehr Zeit für Familie und Freizeit.“

–        Michael Schlecht (27.1.2016): „Digitalisierung bietet (gebietet) Chance zur Arbeitszeitverkürzung. Warum nicht das alte Ziel der 30-Stunden-Woche wieder angehen?“

Zur Fragestellung „Chancen kollektiver Arbeitszeitverkürzung“:
Individuelle Arbeitszeitverkürzung gibt es massenhaft – mit drastischen Lohnsenkungen.
Nur kollektive Arbeitszeitverkürzung ändert an der Machtfrage etwas!
Wie anders ist Hartz IV kann / soll Hartz IV überwunden werden, dto. Geschlechterungerechtigkeit?
AZ-Verlängerung entgegenwirken (D., Frankreich …)
Arbeitszeitpolitik ist gleichermaßen gesetzgeberisch wie Tarifpolitik.

Thema setzen > Kampagne – Leitbild, „Vision vom Guten Leben“!
Stellt Euch mal eine Gesellschaft vor, in der alle gleichermaßen Zeit haben für
– Lieben, Hegen und Pflegen, – politisches Gestalten, – Muße und Kreativität, – reduzierte Erwerbsarbeit
Wäre das nicht toll? Ein erster Schritt dahin ist eine sehr deutliche Arbeitszeitverkürzung.

Forderungen diskutieren > 40-Stunden-Woche gesetzlich, 35-Stunden-Woche tariflich (ungleiche Verteilung mit Rahmen möglich, Projektarbeit, Sabbatjahre)
Ökonomische Möglichkeiten
Bündnispartner gewinnen > Dt. Frauenrat, kirchliche AN-Gruppen, Umweltbewegung, (Arbeits-)Mediziner,
Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation, Grenzen des Wachstums!

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