30-Stunden-Woche für Europa! Höchste Zeit für das linke Projekt!

In Marxistische Blätter 3/2013

30-Stunden-Woche für Europa! Höchste Zeit für das linke Projekt!

Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu andrer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparung ab. Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf.“2

An dieser frühen Erkenntnis hat Marx in seiner Philosophie ebenso wie in der Kritik der politischen Ökonomie festgehalten und wir haben tausende Erfahrungsgründe, ebenfalls daran festzuhalten. Für Marx war die Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmten Proportionen entsprechend der gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeit quasi ein „Naturgesetz“ jeder Produktionsweise.

Wir gehen mit Marx davon aus, dass „Arbeitszeit“ nicht nur Erwerbsarbeit meint, sondern die zur Reproduktion der Gesellschaft notwendige Zeit beinhaltet, sodass wir es mit mehreren Dimensionen zu tun haben: Mit meist fremdbestimmter Erwerbsarbeit zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen, mit notwendiger Zeit zur (Re-)Produktion der Gattung Mensch, der „Ware Arbeitskraft“ und der Gesellschaft sowie mit „freier Zeit“ für Partizipation und individuelle Entwicklung. Auf den Aspekt der sekundären Ausbeutung in den Phasen der Nichterwerbsarbeit wird hier nicht eingegangen.

Auf vielen Tagungen, Konferenzen und Versammlungen der zurück liegenden Jahre3 wurde in Betrieben und Gewerkschaften über das Thema Arbeitszeit diskutiert. Initiiert wurde diese Debatte von interessierten Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Gewerkschaften; bei der IG Metall durch ostdeutsche Verwaltungsstellen und Vertrauensleute in großen Betrieben mit „Mutterhäusern“ im Westen; bei ver.di durch die Strukturen der Frauen und der Jugend, jeweils unterstützt durch einige strategisch denkende Frauen und Männer in den Vorständen. Eine wesentliche Initiative für diese Debatte kam von außerhalb der Gewerkschaft: von Feministinnen um die Vier-in-einem-Perspektive, von der Attac AG ArbeitFairTeilen, der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik mit den jährlichen Memoranden und der im Ergebnis vieler Diskussionen geschaffenen bundesweiten Initiative „Arbeitszeitverkürzung jetzt!“ Eine Publikation aus diesem Umfeld trägt den Titel „Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit“4 und ist im Kern eine ökonomische Begründung für die Möglichkeit und die Notwendigkeit, mit der Verkürzung der Zeit für Lohnerwerbsarbeit auf 30 Wochenstunden (kurze Vollzeit) und tangierenden Maßnahmen wie dem Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors die Massenerwerbslosigkeit zu überwinden.

Es wird eine Debatte geführt, die im Zusammenhang mit der Arbeitszeitpolitik um folgende Fragen kreist:

  1. Wie sind die ökonomischen Entwicklungen und Möglichkeiten, die Entwicklung von Produktivität und Erwerbspersonenpotenzial zu bewerten?

  2. Wie sind die strukturellen Veränderungen in der Zusammensetzung des Kapitals und der Klasse der abhängig Beschäftigten, wie sind die Verschiebungen vom Produktionssektor zum Finanz- und Dienstleistungssektor, zu bewerten?

  3. Wie ist das politische Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit zu bewerten, insbesondere die Möglichkeiten der Gewerkschaften und der sie unterstützenden politischen Kräfte, die Arbeitszeitfrage wieder auf die Tagesordnung zu setzen und „salonfähig“ zu machen?

  4. Wie können die Erfahrungen der zurückliegenden Kämpfe um Arbeitszeit (35-Stunden-Woche, Kurzarbeit in der Krise) für die künftigen Auseinandersetzungen genutzt werden?

Einige Fakten, um die Lage zu klären:

  • Es gibt (nicht nur) in Deutschland einen langfristigen Trend zu höherer Erwerbstätigkeit von Frauen, verstärkt durch Lebensarbeitszeitverlängerung

(Verkürzung von Schul- und Studienzeiten sowie Erhöhung des Rentenalters).

  • Parallel dazu gibt es exorbitante Produktivitätssteigerungen im industriellen Sektor, etwas geringere im Dienstleistungssektor. Bei personennahen Dienstleistungen wie z.B. im Bildungs- und Gesundheitswesen sind Produktivitätssteigerungen weder möglich noch wünschenswert.

  • Erwerbstätigkeit und geleistete Arbeitsstunden werden in einer kleinen Tabelle5 übersichtlich, in der auch Wachstum und Produktivität deutlich werden:

 

Jahr

Mio.

Erwerbstätige

Mio.

Arbeitnehmer

Mrd.

Arbeitsstunden

(AN)

BIP

Mrd. €

1970

26,6

22,2

41,7

360

1990

31,3

27,3

40,7

1.307

1991

38,7

35,1

51,8

1.534

2012

41,6

37,0

48,8

2.644

 

Von den Arbeitnehmern 2012 sind 29 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, etwa 10 Millionen, überwiegend Frauen, sind unterbeschäftigt und unterbezahlt. Ohne große Schritte der Verkürzung von Wochen- und Jahressarbeitszeit in den zurückliegenden Jahrzehnten wäre das Heer der Erwerbslosen wesentlich größer.

  • Die Arbeitszeit hat sich nach der tariflichen Durchsetzung der 40-Stunden-Woche in den 1960er Jahren uneinheitlich entwickelt. In der Druck-, Metall- und Elektroindustrie gelang der Durchbruch zur 35-Stunden-Woche, in anderen Branchen und im öffentlichen Dienst blieb der Kampf um Arbeitszeitverkürzung in den 1990er Jahren stecken. Seitdem gibt es einen Trend zur Verlängerung der tariflichen Arbeitszeiten. Die tatsächliche Arbeitszeit liegt im Schnitt der Vollzeitarbeitsplätze bei über 40 Stunden/Woche. Befördert wird dieses Roll back neben der strukturellen Schwäche der Gewerkschaften6 durch gesetzliche Regelungen wie die 48-Stunden-Woche und die Arbeitszeitrichtlinie der EU, die eine weitere Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeit ermöglicht.

  • Die durchschnittliche Arbeitszeit aller Beschäftigten inklusive Teilzeit und Minijobs liegt bei ca. 30 Stunden pro Woche. Anders wäre die hohe Beschäftigung und die sinkende Zahl von Arbeitsstunden nicht zu erklären. Der Überarbeit von vielen Menschen in sogenannter Vollzeit (23 Millionen) steht die oft unfreiwillige Unterbeschäftigung in Teilzeit und Minijobs (10 Millionen) sowie die erzwungene Erwerbslosigkeit von weit über 4 Millionen Menschen gegenüber.

  • Die Reallohnentwicklung der zurückliegenden Dekade ist negativ – trotz höherem Beschäftigungsgrad sind die Einkommen aus unselbständiger Arbeit um ca. 5 % gesunken – besonders stark durch und im Niedriglohnbereich, etwas geringfügiger im Bereich der Tariflöhne. In der gut organisierten Metall- und Elektroindustrie z.B. stiegen die Löhne zwischen 2004 und 2012 etwa um die 16%, die auch die kumulierte Inflation betrug, die durchschnittlichen Nettolöhne beschäftigter Arbeitnehmer stiegen nur um ca. 10%, die Nettolohnquote sank auf unter 65 %7.

Aus dem Umfeld der Initiative „Arbeitszeitverkürzung jetzt!“, der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und der Attac AG ArbeitFairTeilen kam zu Beginn des Jahres ein von über 100 Persönlichkeiten unterzeichneter Offener Brief8 an die Gewerkschaften, Parteien und andere gesellschaftliche Gruppen mit der Aufforderung, das Thema Arbeitszeit wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Diese Initiative, der eine überraschende Medienaufmerksamkeit zuteilwurde, wird von einer Debatte begleitet:

  • Genügt es, Erwerbsarbeitszeit als ökonomische Kategorie zu thematisieren, wenn dabei zwangsläufig Fragen der Geschlechtergerechtigkeit, der Lebensweise und der demokratischen Entfaltung ausgeblendet bleiben? Einige Wissenschaftlerinnen und Gewerkschafterinnen haben sich dem offenen Brief aus solchen Gründen nicht angeschlossen.

  • Ist es richtig, sich an „die da oben“ mit dem Appell ökonomischer Vernunft zu wenden in der Hoffnung auf die Überzeugungskraft des Argumentes? Muss es nicht viel mehr darum gehen, in den Betrieben, auf den Straßen und in den Wohnungen Initiativen von unten zu entwickeln, die Menschen für ein gutes Leben zu gewinnen und gemeinsam dafür zu kämpfen?

Die IG Metall erteilte eine Absage an die Politik der Arbeitszeitverkürzung. Dieses ist erklärlich vor dem Hintergrund des gewerkschaftlichen Standort-Korporatismus. Nach dem sogenannten „Pforzheimer Abkommen“, durch das Abweichungen vom Tarif nach unten möglich wurden, gab es in vielen Betrieben Arbeitszeitverlängerungen und im Falle Opel gar eine Unterbietung des Flächentarifes. Der ehemalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende9 erklärte im Zusammenhang mit der Pleite und der staatlichen Übernahme von GM und Opel, er wolle auf keinen Fall einen „VEB Opel“ und stimmte stattdessen einem rigorosen Personalabbau und Werksschließungen zu, was in Bochum bei einer Abstimmung der Belegschaft im März 2013 zum offenen Bruch mit den Vereinbarungen der IG Metall geführt hat. Konkret schreibt die IG Metall zum „Offenen Brief“:

Angesichts der gegenwärtigen ökonomischen und sozialen Krise sind Aufforderungen an alle demokratischen Kräfte im Land, sich für eine faire Verteilung der Arbeit einzusetzen, zweifellos zu begrüßen. Denn in der Tat ist die Überarbeit der einen und die Unterbeschäftigung der anderen, insbesondere in Form der Arbeitslosigkeit, ein gesellschaftlicher Skandal. Überfällig und wichtig sind auch Impulse, die angesichts der verschärften Arbeits- und Leistungsbedingungen und des gestiegenen Handlungsdrucks in den Betrieben dazu beitragen, wieder Bewegung in die gesellschaftliche und gewerkschaftliche Debatte um Arbeitszeit zu bringen. Eine Voraussetzung für wirkungsvolle Impulse ist, dass sie an den Arbeits- und Arbeitszeitrealitäten der Beschäftigten und deren entsprechenden Interessenlagen ansetzen. Forderungen, wie die nach einer allgemeinen kollektiven Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden, sind deshalb gegenwärtig wenig hilfreich, denn sie verkennen die aktuelle Ausgangslage und die Schrittfolge erfolgreicher gewerkschaftlicher Arbeitszeitpolitik.“

Weiter werden Widersprüche benannt, die eher für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung sprechen wie z.B. Flexibilisierung, Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen, der hohe Leistungsdruck in den Betrieben, die Zunahme von Nacht- und Wochenendarbeit, uneinheitliche Arbeitszeiten in Betrieben und Branchen; von Zeitsouveränität ist die Rede wie von Work-Life-Balance und „Fachkräftemangel“ – und aus all dem werden „unterschiedliche Interessenlagen“ von Belegschaften konstruiert, die „unter den veränderten Wettbewerbsbedingungen verstärkt selbst als Akteure in der (Standort)Konkurrenz handeln. (…) Eine neue arbeitszeitpolitische Initiative der Gewerkschaften, die sowohl die verschiedenen individuellen Arbeitszeitinteressen und -wünsche der Beschäftigten stärkt als auch an gemeinsame Interessenlagen der Beschäftigten anknüpft und sie vertritt, könnte ein wesentlicher Mosaikstein einer gesellschaftlichen Arbeitszeitkampagne werden“, so der Schlusssatz der Erklärung der IG Metall. Steffen Lehndorff orientiert in diesem Kontext schon lange darauf, „durch Vielfalt zur Einheit“ zu kommen10, ohne dass das eine oder das andere zu erkennbaren Schritten in diese Richtung führte.

Worauf kommt es nun an?

Die Arbeitszeitpolitik steht wieder in der Debatte – voranzubringen ist sie letztlich nur mit Gewerkschaften und deren Bündnispartnerinnen auch in der Politik, also auch durch linke, sozialistische und kommunistische Partein. In der betrieblichen Praxis ist es wichtig, Arbeitszeitverlängerungen zu stoppen und Wege zu guter Arbeit und mehr guten Arbeitsplätzen zu erkunden und durchzusetzen. Dabei stößt die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung auf Unsicherheit und Ängste. Oft ist es schwierig, diese Debatte zu führen, weil schlechte Erfahrungen mit Leistungsverdichtung und Lohnkürzungen gesammelt wurden und den Belegschaften der Gegenwind der Krise und der herrschenden Politik ins Gesicht weht. Deshalb muss den Gewerkschaften am Projekt Arbeitszeitverkürzung praktische politische und wissenschaftliche Unterstützung zuteilwerden!

Die soziale und demokratische Bewältigung der gegenwärtigen Krisen erfordert eine aktive Gegenwehr der Gewerkschaften. Es ist geboten, mit allen gewerkschaftlichen Mitteln für eine Wende zu streiten und zu kämpfen. Der Kampf gegen Massenerwerbslosigkeit und für eine faire Teilung der Arbeit gehört in den Mittelpunkt der Lösungsalternativen.

Eine der Ursachen der seit Jahren betriebenen Umverteilung von den Arbeits- zu den Kapitaleinkommen ist die Massenerwerbslosigkeit, sind Millionen Menschen die als Leiharbeiter unter diskriminierenden Bedingungen arbeiten. Immer mehr Erwerbstätige sind gezwungen, ergänzende Sozialleistungen zu beziehen, um überleben zu können. Schlimmer noch sind die Bedingungen in vielen Staaten der EU. Besonders alarmierend: In Spanien ist inzwischen jede vierte erwachsen Person und jeder zweite Jugendliche erwerbslos, in Griechenland gar jede dritte erwachsene Person und auch jeder zweite Jugendliche.

In der Arbeitswelt herrscht ein Klima der Angst, das die Beschäftigten wie die Gewerkschaften immer wieder zu Zugeständnissen zwingt. Die Lohnsenkungen und die Umverteilung von den Arbeits- zu den Kapitaleinkommen um fast 800 Milliarden € in den letzten 10 Jahren sind Folgen der Massenerwerbslosigkeit. Stress und psychosomatische Erkrankungen sind Folgen des Drucks, der dadurch aufrechterhalten wird. Die Angst, den Job zu verlieren und in das erniedrigende Hartz-IV-System abzurutschen, bestimmt das Verhalten vieler Menschen.

Diese Angst blockiert kreative Potentiale der Gesellschaft. Politikverdrossenheit als Folge elitärer Entscheidungszirkel sind Signale des gesellschaftlichen Rückschritts. Sie sind Wasser auf die Mühlen antidemokratischer Kräfte. Dauerhafte Massenerwerbslosigkeit und prekäre Lebensbedingungen sind wesentliche Ursachen für die schleichende Erschütterung des sozialen Lebens, die Unterordnung der Arbeitswelt unter das Diktat der Unternehmer, die gezielte Schwächung der Gewerkschaften und die Entstehung eines Systems der Umverteilung von der Lohn- zur Kapitalseite.

Die Deregulierung des Arbeitsmarktes (Agenda 2010) hat diese Entwicklung dramatisch verschärft, denn sie zielt auf den ruinösen Wettbewerb unter der arbeitenden Bevölkerung und auf Lohnsenkung. Unter anderem dadurch sind riesige Profite entstanden, die den Finanzsektor aufgebläht, der Spekulation Auftrieb gegeben und die Krisen ausgelöst haben. Den Gewerkschaften wurde die Gestaltungsmacht für soziale Reformen und die notwendige Arbeitszeitverkürzung geraubt. Es ist keineswegs zufällig, dass die deutsche Regierung und die Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfond die Deregulierung des Arbeitsmarkts in Spanien und Griechenland zum untrennbaren Bestandteil der Sparpolitik dieser Länder erklärt hat.

Die Lautsprecher des neoliberalen Systems sind mit Legenden von Vollbeschäftigung, Fachkräftemangel und demographischem Wandel dabei zu erklären, bald länger arbeiten zu müssen.

Vor diesem Hintergrund gewinnt Arbeitszeitverkürzung mit dem Ziel „Kurze Vollzeit für alle“ außerordentlich an Bedeutung. Eckart Spoo, der Journalist und ehemalige Vorsitzende der dju sowie Detelf Hensche, der ehemalige Vorsitzende der IG Medien fordern unisono von Gewerkschaften und linken Parteien, sich in der Arbeitszeitfrage zu bewegen: „Wenn die Linke tatsächlich Mehrheiten gewinnen will, sollte sie sich für ein solidarisches und freiheitliches Regime kürzerer Arbeitszeit einsetzen,“11 – dieses auch als Unterstützung für Gewerkschaften, die „täglich alle Kräfte aufbieten (müssen), um überhaupt Tarifbindung zu erhalten und um die Mitglieder vor gravierenden Einkommensverlusten zu schützen.“

Arbeitszeitverkürzung kann wöchentlich, täglich, durch Sabbatical, im Rahmen von Projekten, verlängertem Urlaub etc. umgesetzt werden: Es muss nur verbindlich sein.

Das ist nicht allein eine tarifpolitische, sondern eine gesellschaftliche Angelegenheit.

Die tatsächliche durchschnittliche Arbeitszeit in Deutschland beträgt gegenwärtig ca. 30 Stunden in der Woche. Nur ist sie ungleich verteilt: Überarbeit auf der einen Seite, erzwungene Teilzeit oder gar Erwerbslosigkeit auf der anderen Seite. Eine faire Teilung der Arbeit trägt den Interessen der Beschäftigten wie der Erwerbslosen Rechnung.

Arbeitszeitverkürzung ist auch die logische und historisch konsequente Antwort auf die Produktivitätssteigerungen, die oberhalb der Wachstumsraten liegen und zu Erwerbslosigkeit führen. Soll dieses neoliberale Gesellschaftsmodell überwunden werden,

muss das Überangebot an Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung aufgelöst werden.

Es ist an der Zeit, durch eine gesellschaftliche Allianz der arbeitenden Menschen und ihrer gewerkschaftlichen und betrieblichen Vertretungen zusammen mit Sozialverbänden und Kirchen, Umweltverbänden und zivilgesellschaftlichen Kräften gemeinsam das Ende des Neoliberalen Modells einzuleiten und diesen Rückschritt in der Menschheitsgeschichte zu beenden. Einer der Schlüssel für diese Perspektive ist die Arbeitszeitverkürzung mit dem Ziel, das verfügbare Arbeitsvolumen fair zu verteilen zwischen den Geschlechtern, den Generationen und den Regionen.

Wir sollten eine solche gesellschaftliche und gewerkschaftliche Kampagne für große Schritte der Arbeitszeitverkürzung vorbereiten und tatkräftig unterstützen!

Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. … Mit seiner (des Menschen) Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. … Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann. Die Verkürzung des Arbeitstages ist die Grundbedingung.“12

Veröffentlicht in „Marxistische Blätter“ 3/2013

1 Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen, langjähriges Mitglied im Betriebsrat bei VW in Wolfsburg und im örtlichen Vorstand der IG Metall

2 Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEW Bd. 42, Berlin 1983; S. 119 (http://web.archive.org/web/20060206182838/http://www.hkwm.de/inkrit/framu/bibliothek/grundrisse/MEW42.PDF)

3 Workshop der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 20.9.2008 mit Bundestags- und Europaabgeordneten der Linken sowie ArbeitszeitpolitikerInnen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen; am 30.6.2011 eine bundesweite Tagung in Hannover unter Beteiligung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, der Attac AG ArbeitFairTeilen, ver.di Landesbezirk Niedersachsen / Bremen, der RLS Nds., der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung und dem BUND; am 23.2.2012 in Bremen durch die Bremer Arbeitszeitinitiative mit dem DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften, dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, Betriebsräten und Sportvereinen; am 23./24. März 2012 in München mit einem ähnlichen Kreis von Beteiligten; eine Befragung der Fachbereiche und Bezirke bei ver.di sowie Beratungen und Beschlussfassungen auf den jüngsten Gewerkschaftstagen von IG Metall und ver.di; siehe auch Debatte und Programm der Partei Die Linke: http://www.die-linke.de/fileadmin/download/dokumente/programm_der_partei_die_linke_erfurt2011.pdf

4 Ossietzky Sonderdruck, Hannover, Mai 2011

5 Quelle: Destatis, VGR, Lange Reihe ab 1970

6 Detje und König schreiben im Widerspruch dazu: „Aus den Krisenjahren 2008-2010 sind die Gewerkschaften – entgegen allen historisch gesättigten Erfahrungen – gestärkt hervorgegangen.“ (SOZIALISMUS 2/2013)

8 http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/m0413.pdf

10 http://www.gegenblende.de/++co++253b29e2-b764-11df-7d4b-001ec9b03e44

11 „Wo bleibt das Linke Projekt“ in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Januar 2012

12 Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Dritter Band. Berlin 1974. S. 828

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