Piëch und Ermittlungsbehörden belasten Winterkorn, IG Metall-Chef fordert Schadenersatz von Piëch, Audi-Manager in Haft.
Ferdinand Piëch hat es bereits Ende 2016 bei der Braunschweiger Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben: Er selbst habe Ende Februar 2015 von einem Informanten den Hinweis erhalten, dass VW ein großes Problem in den USA habe, weil das Unternehmen mit einer Software die Abgaswerte manipuliere; Hinweise darauf hätten US-Behörden bereits an VW weitergeleitet. Er habe Winterkorn darauf angesprochen. Doch der damalige VW-Chef habe ihm versichert, ein solches Papier aus den USA existiere nicht, sagte Piëch den Ermittlern. Im April 2015 ging Piëch dann „auf Distanz“ zu Winterkorn – die Aufsichtsratsmehrheit klärte nichts auf sondern drängte Piëch zum Rücktritt. Neben Winterkorn sind das ehemalige Vorstandsmitglied und jetzige Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Pötsch, der gegenwärtige Konzernvorstandsvorsitzende Matthias Müller und der Markenvorstandsvorsitzende Herbert Diess im Visier der Staatsanwaltschaft.
Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann hat in seiner Rolle als Aufsichtsratsmitglied bei VW von Piëch Schadenersatz gefordert, wie das Manager Magazin (6.2.2017) berichtet: „Ferdinand Piëch muss sich womöglich auf Schadenersatzforderungen des Konzerns einstellen.“ Tatsächlich müssten die betrügerischen Gewinne des gesamten Porsche-Piëch-Familienclan (ca. 40 Mrd. Euro Vermögen) wie auch des Terrorstaates Katar eingezogen werden und der gesamte Vorstand mit seinen von VW abgezweigten Vermögen haften.
Nun kommen wieder Protokolle des Verfahrens gegen VW aus den USA und bringen ein kleines Stück Aufklärung, die das Unternehmen seit fast zwei Jahren verweigert:
„Ein VW-Abgasspezialist habe ihn (Winterkorn) und VW-Markenchef Herbert Diess am 27. Juli 2015 ausführlich die Betrugssoftware erklärt, mit der weltweit etwa elf Millionen Fahrzeuge manipuliert wurden“, berichtet die Bild am Sonntag (9.7.2017). „Ich hatte nicht das Gefühl, dass Winterkorn zum ersten Mal davon gehört hat“, zitiert die Zeitung den Experten und heutigen Kronzeugen. Das Blatt beruft sich auf „Hunderte Zeugenbefragungen, FBI-Berichte, interne E-Mails und geheime Präsentationen“. Winterkorn hatte zugegeben, an der Besprechung teilgenommen zu haben, an die Erläuterungen zur Abgasmanipulation will er sich jedoch nicht erinnern. Das ist sehr unwahrscheinlich, wurde doch in einer etwas späteren Besprechung zu diesem Punkt mitgeteilt, dass Schadenersatzforderungen bis zu 20 Milliarden Dollar auf das Unternehmen zukommen könnten.
Winterkorn hatte vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Protokoll gegeben, er habe von der Möglichkeit der Existenz einer Betrugssoftware „sicher nicht vor September 2015 gewusst“.
Der offensichtliche Unwille von Volkswagen, den ganzen gigantischen Betrug aufzuklären, kommt in vielfacher Hinsicht teuer zu stehen:
- Jedes Jahr sterben allein in Deutschland 10.000 Personen an Atemwegserkrankungen, verursacht durch Stickoxyde (NOx), die wesentlich aus Dieselmotoren emittiert werden.
- Das Image des Unternehmens ist nicht nur in den USA massiv beschädigt – verbunden mit existenzgefährdenden Absatzrückgängen und Marktzugangsbeschränkungen. In fast allen Märkten sinken Absatz und Marktanteile des VW-Konzerns, entsprechend erhöhen sich die konstanten Kosten.
- Dem Unternehmen kosten der Betrug und die Nichtaufklärung inzwischen über 25 Milliarden Euro, allein 5 Mrd. Euro im ersten Quartal 2017 – das geht auch in so einem großen Konzern wie VW an die Substanz.
- Im Unternehmen spricht man von einer „radikalen Restrukturierung“ und „agiler Organisation“ – Sparprogramme, Leistungsverdichtung (25 Prozent Produktivitätssteigerung) und Personalabbau sind sichtbare Folgen der Orientierung auf eine Verdreifachung des Profites.
- Der notwendige Neustart wird verzögert bis zu einem Zeitpunkt, an dem es eventuell zu spät sein wird, weil die Ressourcen nicht mehr zur Verfügung stehen und weil „die anderen“ schneller gewesen sind. Elektro-Mobilität, Digitalisierung und selbstfahrende Autos sind nicht der Ausweg aus der Krise, sondern führen zu einer Verschärfung der Konkurrenz.
Was tun?
Es ist eigentlich klar, was zu tun wäre:
Einen Neustart einleiten, Pionier bei der Verkehrswende sein, die Mobilitätsbedürfnisse statt Profite in den Mittelpunkt rücken, durch eine andere Unternehmensform aus der mörderischen Konkurrenz aussteigen, Wirtschaftsdemokratie umsetzen: Eine sozial-ökologische Transformation inklusive einer radikalen Arbeitszeitverkürzung für die gesamte Branche.
Damit ist auch die Eigentumsfrage gestellt, das Grundgesetz mit der Nützlichkeit des Eigentums für die Allgemeinheit (GG Artikel 14/15) ist dafür der Rahmen. Wer verfügt und entscheidet über die Art und Weise der Produktion, über das Produkt und über die Zukunft hunderttausender Beschäftigter? Dazu bedürfte es starker Initiativen der Gewerkschaft und des Staates, zum Beispiel eines Konversionsfonds, in den die Milliarden Euros fließen, die bisher direkt als Subventionen an die Automobilindustrie gehen. Die Sprach- und Tatenlosigkeit des Landes Niedersachsen als großer und einflussreicher Anteilseigner am Konzern ist in diesem Zusammenhang völlig unverständlich. Seit fast zwei Jahren schweigen Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Lies, ergreifen keinerlei Initiative zum Umsteuern bei Volkswagen. Wollen Bundes- und Landesregierung erst eingreifen, wenn Massenentlassungen und Werksschließungen kaum noch abwendbar sind? Oder gibt man sich damit zufrieden, dass ausländische Standorte in Nord- und Südamerika, in Süd- und Osteuropa zunächst geschlossen werden und das Unternehmen wie die Textilindustrie, wie der Kohlebergbau, wie Opel einen langsamen Tod sterben?