Die Rede von IG Metall Chef Jörg Hofmann auf dem Gewerkschaftstag seiner großen Organisation war auch ein Abgesang auf die Globalisierung. Von den Institutionen des Kapitals wie dem IWF und der Weltbank sowie den Regierungen der Industrieländer vorangetrieben, so wurde sie in ihrer konkret kapitalistischen Ausprägung seit 30 Jahren von vielen Organisationen und Institutionen wie den Gewerkschaften, Attac, Klimabewegung, FFF, der UNO und weniger industrialisierten Ländern heftig kritisiert. Die Zeitenwende und der ökonomische Aufstieg insbesondere Chinas zeigen sich jetzt massiv in einer neuen, verschärften und erweiterten Konkurrenz der „Standorte“.
In der Rede von Hofmann wird die Widersprüchlichkeit in dieser Endphase der neoliberalen Globalisierung so beschrieben (Auszüge):
„Nachdem die Förderung der E-Autos gesenkt wurde, bricht der Markt ein. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Konzerne (er meint deutsche Konzerne) endlich E-Autos unter 30.000 Euro auf den Markt bringen müssen. Seit der IAA wissen wir: Die Chinesen und andere Importeure drücken in diesen Markt. Wir müssen auch feststellen, dass die Konzerne der Zulieferindustrie weiter massiv in Best-Cost-Countries investieren und deutsche Standorte unter Druck kommen. Wir müssen feststellen, dass spätestens nach dem IRA (Inflation Reduction Act in den USA) massiv Investitionen in den NAFTA-Raum fließen.“
Als Antwort auf diese Veränderung kommen von Hofmann Forderungen nach „vergleichbaren Investitionsbedingungen“, nach Veränderung des europäischen „Beihilferechts“, nach Subventionen „wo blühende Industrieregionen drohen, zu Wüsten zu werden“ mit Hinweis auf einen ersten Erfolg mit dem Net-Zero-Industrial-Act der EU-Kommission. Hofmann: „Aber hier muss klar sein: Subventionen an Unternehmen darf es nur geben, wenn Verpflichtungen zu Standort, Beschäftigung und Tarifbindung abgegeben werden. Was wir mit unseren Kollegen in der Automobilbranche befürworten, sind local-content-Auflagen bei öffentlicher Förderung. Wenn wir weiter E-Mobilität fördern, dann aber bitte die Fahrzeuge, die in Europa produziert werden. Das gilt ebenso für Photovoltaik, Windenergie und andere Branchen. Keine öffentliche Förderung ohne Verpflichtung zur Wertschöpfung in unserem Land!“ Hofmann verkniff sich die Bemerkung, das sei der sozial-ökologische Wandel, den die Gewerkschaft fordere.
Soweit der Abgesang auf die Globalisierung, wie wir sie kennen. Diese Globalisierung war nie friedlich; sie war ein Kartell der großen Konzerne gegen kleinere Unternehmen, der reichen Industrieländer gegen die weniger entwickelten Länder, der rohstoffgierigen Industrieländer gegen die rohstoffreiche Peripherie, gleichermaßen ein Kartell gegen die arbeitenden Klassen mit prekärer Arbeit und Dumpinglöhnen, mit vielfältigen Spaltungen der Gesellschaften in den Industrieländern selbst.
Was kommt nun nach dieser Art neoliberaler Weltherrschaft?
Das Kartell fliegt gerade auseinander, einzelbetriebliche und nationalstaatliche, teils regionale Egoismen setzen sich durch, kalte und heiße Kriege werden geführt, neue Blockbildungen und Blockkonfrontationen zwischen USA und China, zwischen China und Europa scheint unabwendbar; neue Player wie Indien, Brasilien und Südafrika treten auf die Bühne und die Ölförderländer suchen nach neuen Technologien und nach neuen Märkten.
Welche Antworten gibt die IG Metall auf diese Herausforderungen; immerhin ist die Losung des Gewerkschaftstages „Zeit für Zukunft“.
Auffällig an der Rede von Hofmann war, dass er nichts gesagt hat zum unvorstellbaren Reichtum in unserem Land und nichts zu den durchschnittlich hohen Gewinnen der Unternehmen. Keine Rede wert, dass das private Geldvermögen auf mehr als 7 Billionen Euro gestiegen und höchst ungleich verteilt ist? Keine Rede wert, dass die Reichen reicher und die Armen mehr und ärmer werden? Keine Rede wert, dass die Unternehmen in der Auto-, Metall- und Elektroindustrie Milliarden Profite an die Großaktionäre abgeführt haben – an die Porsches und Piëchs, an die Quandts, Klatten und Schäfflers, an die Scheichs von Katar und Kuweit, kein Wort vom Vorsitzenden einer der größten Gewerkschaften zu durchaus möglichen Abschöpfung von Gewinnen, kein Wort zu Vermögensabgabe, Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, kein Wort zu den Subventionen für die fossile Industrie. Indem Jörg Hofmann dazu nicht gesprochen hat, hat er die Gelegenheit ausgespart, über die mögliche Finanzierung der Transformation zu sprechen. Wenn die Reichen dabei nicht zur Kasse gebeten werden, wird der ärmere Teil der Bevölkerung die Transformation bezahlen – oder sie findet tatsächlich in unserem Land nicht statt. Zwar hat Hofmann ausführlich über die Krise der Auto- und Zulieferindustrie gesprochen – zum großen Potenzial im Schienenfahrzeugbau und im Busbau für den öffentlichen Verkehr kein einziges Wort und kein Wort zur Verkehrswende.
Stattdessen, im Einklang mit SPD und Grünen, die wohlfeile Forderung nach Subventionen und einem „Brückenstrompreis“ für die energieintensive Industrie. Auch verzichtet Hofmann darauf, aus öffentlichen Geldern auch gesellschaftliches Eigentum entstehen zu lassen: Wo öffentliche Gelder fließen, sollte gesellschaftliches Eigentum mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten auf die strategische Unternehmenspolitik entstehen.
Die formulierten Positionen von Hofmann laufen auf eine Anpassung an die Blockbildung hinaus – einschließlich der unerbittlichen Konkurrenz zwischen den Blöcken und innerhalb der Blöcke zwischen den Betrieben und in den Betrieben zwischen den dort Arbeitenden. Konkurrenz statt Solidarität – darauf läuft das objektiv hinaus. Der Kapitalismus lässt sich bekämpfen, aber er lässt sich nicht hintergehen. Ungenutzt bleibt die Chance, sich für faire Handels- und Wirtschaftsbeziehungen stark zu machen, ungenutzt die Chance, mit Klima- und Umweltbewegung, mit faire-trade-Initiativen und den Schwester- und Brudergewerkschaften in aller Welt sich dieser neuen Blockbildung entgegenzustellen. Der Streik der Automobilarbeiter in den USA wäre eine Gelegenheit gewesen, diese Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Aber auch dieser Arbeitskampf wurde von Hofmann nicht erwähnt.
Das tragische dabei: Die Anpassung an die sich neu sortierende Weltordnung des Kapitals wird Gewerkschaften nicht stärken, sondern wird sie schon auf mittlere Sicht weiter schwächen. Nur Solidarität macht Gewerkschaften stark.
Bertolt Brecht
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und lässt andere kämpfen für seine Sache
Der muss sich vorsehen: denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will: denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.