Autogipfel im Kanzleramt: Ausgerechnet VW, Daimler und BMW

Am 5. Mai findet der nächste „Autogipfel“ im Kanzleramt statt. Ausgerechnet Volkswagen, Daimler und BMW fordern von der Bundesregierung Milliarden Euro als „Impulsprämie“, als „Abwrackprämie“ für 20 Millionen Autos mit Euro-Norm 3 und 4 sowie eine Prämie für Elektroautos.

Warum „ausgerechnet“ die Autoindustrie?

Andere Sektoren unserer Volkswirtschaft benötigen viel dringender Unterstützung wie zum Beispiel die Nahverkehrsbetriebe mit Umsatzausfällen bis zu 90 Prozent. Oder wie die Tourismusbranche, die Hotelerie, die Gastronomie mit 100 Prozent Ausfällen.

Warum „ausgerechnet“ die Autoindustrie, die bereits nach der 2009er Krise massiv gefördert wurde und, quasi zum Dank, großflächig betrogen hat – mit falschen Abgaswerten, mit Preisabsprachen und Kartellbildung. Es vergeht doch kaum ein Tag, an dem die Staatsanwaltschaft nicht eine Hausdurchsuchung in einem der Unternehmen der Autoindustrie vornehmen muss.

Warum „ausgerechnet“ die Autoindustrie, die in den zurückliegenden Jahren horrende Profite eingefahren hat, Milliarden an die Aktionäre ausgeschüttet hat und über noch viel mehr Milliarden als Gewinnrücklagen verfügt.

Als Beispiel sei hier nur Volkswagen genannt; der Konzern verfügt trotz Strafzahlungen von 30 Milliarden Euro für den gigantischen Dieselbetrug über sagenhafte Gewinnrücklagen von mehr als 100 Milliarden Euro (100.000.000.000 Euro) – eben soviel, wie die EU anfassen will, um den Mitgliedsstaaten über die schlimmsten Folgen der Krise per Kredit hinwegzuhelfen.

Aus der Tabelle hier ergibt sich im übrigen, dass vier Milliarden Euro davon im ersten Quartal 2020 hinzugekommen sind – in dem Quartal, in dem die Krise in vielen anderen Branchen zu Pleiten und Insolvenzen, zu Erwerbslosigkeit und millionenfacher Kurzarbeit geführt hat.

Großaktionäre sind die Milliardärsfamilien Porsche, Piëch, Quandt und Klatten, die Terrorstaaten Kuweit und Katar und solche windigen „Fonds“ wie BlackRock.

Warum „ausgerechnet“ die Autoindustrie, die im Lockdown bereits Kurzarbeitergeld aus der Arbeitslosenversicherung in Höhe von etwa 1 Milliarde Euro kassiert hat, obwohl die Produktionseinstellung nicht gesetzlich verordnet war – es waren schlicht die Menschen, die keine Autos kaufen wollen, es war der vor Corona schon sichtbare Stau an Neufahrzeugen bei den Händlern. „Beim Handel stauen sich die Leasingrückläufer, unsere Neuwagenlager stoßen bereits heute an ihre Grenzen. Und der Blick auf unsere Bestelleingänge ist ein echtes Trauerspiel“ – so der VW-Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh in einem Brief an Belegschaft.

Warum „ausgerechnet“ die Autoindustrie? Weil sie eine der aggressivsten Lobbygruppen unseres Landes ist. Die Drehtüreffekte zwischen Politik und Industrie sind nirgendwo enger als hier: Von der Regierung in den VW-Konzern (Thomas Steg, SPD) oder zu Daimler (Eckart von Klaeden, CDU) oder in den Verband der Autoindustrie (Hildegard Müller, Staatsministerin im Bundeskanzleramt oder Matthias Wissmann, Verkehrsminister).

Kein Steuergeld für Spritschlucker, keine Vorfahrt für die Autolobby!

Umwelt und Verkehrsverbände, Lobbycontrol und Die LINKE sowie einige Gewerkschaften rufen dazu auf, der Autoindustrie keine Subventionen zu gewähren – das Geld wird in der sozialen Infrastruktur, im Gesundheitswesen und in wirklich gebeutelten Branchen dringend benötigt. Außerdem handelt es sich um Steuergeld, das letztlich von den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt werden müsste: Kein Steuergeld für Spritschlucker, keine Vorfahrt für die Autolobby!

Die IG Metall und der BUND haben sich gemeinsam ausgesprochen „für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft als nachhaltigen Weg aus der Krise. Der Staat kann die notwendigen Umbauprozesse unterstützen, unter anderem mit den aktuell diskutierten möglichen Staatsbeteiligungen. Alle bestehenden Mitbestimmungsrechte seien zu achten, soziale Standards einzuhalten und die unterstützen Unternehmen müssen ihr Geschäftsmodell kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel gestalten.“

IG Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban spricht sich gegen bedingungslose Subventionen für die Autoindustrie aus (ND, 30.4.2020): „Wir müssen einen ökologischen Mehrwert, einen ökologischen Zusatznutzen als Bedingung für das Gewähren öffentlicher Mittel definieren. Das gilt für die Stahlindustrie wie für die Automobilindustrie. Kapitalistische Märkte versagen angesichts der Umweltkrise, hier braucht es politische Interventionen. Auch Gewerkschaften stehen vor der Aufgabe, Zielmarken solcher Art zu definieren.“

Ganz anders der Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, der (im FREITAG, 28.4.2020) in schlechter Lobbyart schreibt: „Wir brauchen einen kräftigen Nachfrageimpuls, um die Kapazitäten wieder auszulasten, Wirtschaftsstrukturen zu stabilisieren sowie Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln.“ Auch bemüht er Europa: „Es gibt keine Region, deren Dynamik uns nach oben zieht. Deshalb: Wenn die Idee, wenn der europäische Gedanke nach 1945 jemals zu einer Frage des Zusammenhalts werden kann, dann jetzt.“ Weiter schreibt er in ähnlicher Diktion von „vorübergehender Staatsbeteiligung“ und konstruiert Widersprüche, wo sie gar nicht vorhanden sind: „Ob es einem passt oder nicht: Erfolgreiche Klimapolitik und De-Industrialisierung schließen sich aus. Wer statt ökologischer Modernisierung auf einen Wandel der Lebensstile setzt, verkennt den Charakter der Krise.“ Er schwadroniert in Anlehnung an eine falsche Aussage von Helmut Schmidt („Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen“) davon, dass „die Gewinne von heute die Industriealisierung der Fahrzeuge von morgen für den Massenmarkt“ seien. Neben der „Impulsprämie“ macht er sich dann noch für ie Abwrackprämie stark, „um besonders stark CO2-emittierende Fahrzeuge von der Straße zu bekommen“ sowie für Prämien für E-Autos sowie die Finanzierung der Ladeinfrastruktur. Zur Finanzierung sagt er, es müsse eine „gerechte Aufteilung zwischen Bund, Land und Kommunen“ geben – kein Wort zur Vermögensabgabe, zur Vermögens- oder Erbschaftssteuer, nur Stehsatz: „Starke Schultern müssen mehr tragen.“

VW-Betriebsrat Osterloh spricht in dem Zusammenhang von 10 Milliarden Euro, VDA-Vorstandsmitglied Stefan Wolf gar von 20 Milliarden für die Autoindustrie.

Am 5. Mai wollen die Autokonzerne umfangreiche Zusagen von der Bundesregierung. Zu der Runde im Kanzleramt sind Umwelt- und Verkehrsverbände gar nicht erst eingeladen. Und von der EU wollen die Autokonzerne nicht nur weitere Gelder, sondern auch eine Rücknahme der Umweltauflagen, eine Aufweichung der Vorgaben für die Reduzierung der Schadstoffemissionen.

Schwierig, dieses alles in Zeiten von Corona zu kommentieren, wo eigentlich riesige Demonstrationen möglich und notwendig wären, damit es nicht „so weiter“ geht.

Corona-Hilfen: Keine Vorfahrt für die Autolobby!

Ein Gedanke zu „Autogipfel im Kanzleramt: Ausgerechnet VW, Daimler und BMW“

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