Wie Hundekacke am Schuh: Volkswagen und der Abgasbetrug

Warum wird Volkswagen den Abgasbetrug nicht los? Und wieso wurde der Audi-Boss Stadler gedemütigt?

Etwas, was passiert ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Aber warum klebt der Abgasbetrug an Volkswagen wie Hundekacke am Schuh und stinkt vor sich hin?

Rückhaltlose Aufklärung und volle Transparenz hatten die drei Vorstandsbosse und der Aufsichtsratschef seit dem Aufliegen des millionenfachen Betruges im September 2015 versprochen. Pötsch, Winterkorn, Müller und Diess. Und was ist seither passiert?

In den USA hat Volkswagen ein vollumfängliches Geständnis abgelegt. Eingestanden wurden vorsätzlicher Betrug und eine kriminelle Verschwörung. In Deutschland wurden Beschäftigte erst angewiesen, Daten zu vernichten; später wurden sie zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Es ist leicht vorstellbar, wie die Stimmung unter der Belegschaft im Hause Volkswagen ist. Es gibt einen internen Bericht, der gegenüber der Öffentlichkeit unter Verschluss gehalten wird. Bei diversen Hausdurchsuchungen wurden tausende Akten und Datenträger beschlagnahmt und werden nun von den Staatsanwaltschaften in Braunschweig und München ausgewertet. Ein unbeteiligtes Vorstandsmitglied, Christine Hohmann-Dennhardt, wurde, als sie der Wahrheit zu nahe kaum, aus dem Unternehmen rauskomplimentiert. Gegen etwa 40 Personen, darunter auch gegen Müller und Diess, laufen Ermittlungsverfahren; mehre Personen, darunter Konzernvorstandsmitglied und Audi-Boss Stadler sitzen bzw. saßen in Untersuchungshaft. Stadler wurde vor wenigen Tagen unter strengen Auflagen aus der Justizvollzugsanstalt in Augsburg entlassen. In den USA wurden ca. 25 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigungen für die Kunden bezahlt. In Deutschland wurden Volkswagen und Audi zu jeweils 5 Millionen Euro Bußgeld verurteilt, darüber hinaus wurden 1.790 Millionen Euro des betrügerischen Gewinns einkassiert, es wurde eine Betrugsdividende von 1,8 Milliarden Euro „abgeschöpft“. Diese Abschöpfung erfolgte aus den Rücklagen von Volkswagen – nicht aus den Gewinnen, die längst an die Großaktionäre, den Porsche-Piëch-Clan und die Scheichs von Katar überwiesen waren. Das Aktiengesetz, die Brandmauer zwischen Unternehmenshandeln und Gewinnüberweisung, schützt die wahren Profiteure vorläufig davor, finanziell zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die US-Justizbehörden installierten darüber hinaus einen Aufpasser bei VW, den ehemaligen stellvertretenden Justizminister Larry Dean Thompson, mit schrankenloser Kontrollbefugnis innerhalb des Konzerns. Im Zwischenbericht im August 2018 forderte er weit mehr Transparenz bei Volkswagen ein und zeigte sich mit der Entwicklung recht unzufrieden.

Volkswagen wird die sprichwörtliche Kacke am Schuh nicht los, weil sie die Wahrheit nicht zugeben können: Von Piëch über Pötsch, von Winterkorn über Müller und von Stadler bis zu Diess sind sie an der andauernden Verschwörung beteiligt. Nichts lief im Konzern ohne Wissen von Piëch, der jedoch angeordnet hatte, über heikle Fragen niemals schriftlichen Aufzeichnungen anzufertigen (irgendwann in den 1990er Jahren habe ich mich mal gewundert, dass der Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert mir bei Auseinandersetzungen mit Unternehmensvertretern vorwarf, ich würde zu viel aufschreiben). Deshalb wurde, nachdem der Betrug aufgeflogen war, weiter gelogen und vertuscht. Mögliche Spuren sollten vollständig vernichtet werden. Wie nennt man bloß so ein Verhalten? Woher kennen wir bloß ein solches Verhalten?

VW-Vorstandsmitglied für Integrität: Stadler wurde gedemütigt!

Symptomatisch für die Vertuschung ist auch die Tatsache, dass Rupert Stadler und andere direkt Beteiligte nicht unmittelbar nach Auffliegen des Betruges entlassen und für den Schaden verantwortlich gemacht wurden. Ganz im Gegenteil: Die Nachfolgerin der ehemaligen Verfassungsrichterin Dr. Christine Hohmann-Dennhardt als Konzernvorstandsmitglied für Integrität und Recht, Hiltrud Werner, sprach sich im Interview mit der „Financial Times“ noch am 24. Juli 2018 gegen eine vorzeitige Demission Stadlers aus. „Ich kann nur für mich sprechen, aber wenn jemand in dieser Art gedemütigt wird, gibt es aus meiner Ansicht keinen Grund für den Aufsichtsrat, ihn noch weiter zu demütige.“ Stadler sei nicht angeklagt und die Ermittler hätten auch keine Beweise für ein Fehlvergehen vorgelegt. Das von ihr modernistisch aufgelegte Programm mit dem wohlklingenden Namen „Together4Integrity“ wird kaum helfen, die Kacke am Schuh loszuwerden.

Die Landesregierung greift nicht ein

Das Land Niedersachsen ist mit rund 20 Prozent am Volkswagen-Konzern beteiligt. Dabei handelt es sich um den Rest des einst, nach 1945, „herrenlosen“ Unternehmens, dessen vorheriger verbrecherischer Eigentümer, die sogenannte „Deutsche Arbeitsfront“, von den Alliierten aufgelöst und verboten war. In den 1950er Jahren war „Volkseigentum“ in der alten BRD aber undenkbar; deshalb verscherbelte die Adenauer-Regierung das Unternehmen an der Börse und platzierte – in schlechter Anlehnung an die Pläne der Nazis – die erste „Volksaktie“.  20 Prozent verblieben über die Zeit beim Land Niedersachsen, aus der genannten Tradition heraus mit besonderen Rechten nach dem „Volkswagen-Gesetz“ ausgestattet. Das Land Niedersachsen hat ein existenzielles Interesse daran, dass Volkswagen floriert – und zwar nachhaltig und dauerhaft. Um so weniger erklärlich ist, dass die beiden Aufsichtsratsmitglieder des Landes den Vorstand offensichtlich sein Unwesen weitertreiben lassen. Zusammen mit den Arbeitnehmervertreter_innen im Aufsichtsrat gibt es eine Mehrheit gegenüber der Kapitalseite, gegenüber den 50Prozent des Porsche-Piëch-Clans und den 20 Prozent der Scheichs des Terrorstaates Katar. Aber es kommt keine Ansage von Stephan Weil (SPD) und Bernd Althusmann (CDU). Die Lage wäre günstig, um aus der mörderischen Konkurrenzsituation in der Weltautomobilindustrie und der ökologisch und sozial unvertretbaren Produktion von Kraftfahrzeugen auszusteigen. Die Lage wäre günstig, mit dem Know-how der Beschäftigten einen Einstieg in die Mobilitätswende zu suchen und zu finden.

Aber mit der Mobilitätswende scheint es wie beim Atomausstieg zu sein: Alles muss man selber machen.

 

 

 

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