80.000 Euro für ein Elektroauto?
Sand ins Getriebe der Konzernplanung für autogerechte Menschen und Städte – Für das Recht auf Mobilität für alle!
Die Partnerstadt von Leverkusen in der Volksrepublik China heißt Wuxi. Es ist eine 6-Millionen-Metropole in 45 Hochgeschwindigkeitsminuten von Shanghai entfernt. Sie ist das Mekka derjenigen, die das „autonome fahren“ für das Nonplusultra der automobilen Zukunft halten. Wuxi ist eine Modellstadt der Zentralregierung in Beijing zur Entwicklung von effizienten Verkehrssystemen. Audi, Siemens und Bosch sind dort längst mit Niederlassungen vertreten und machen sich die großzügige Bildungslandschaft zu nutze. „Audi erfindet das fahren neu“ (Handelsblatt, 2./3./4. November 2018) und schickt in der chinesischen Großstadt Autos auf die Straße, die nur noch von Computern gesteuert werden. Nötig ist dazu eine elektronische Infrastruktur mit Kameras, Sensoren und Radar an allen Straßen, an Straßenbegrenzungen, Häusern, Ampeln und Fußgängern – unter einem vollständigen Datenaustausch in Echtzeit mit allem, was dem Auto im Wege sein könnte, ist es nicht zu machen. Was für ein gigantischer Aufwand an Material und Geld, der sich nur amortisieren kann, wenn Millionen Menschen ihn nutzen und bezahlen würden. Die Stadtverwaltung von Wuxi hat all das zur Verfügung gestellt – eventuell auch als Modell für andere Metropolen in China und anderswo auf der Welt? Audi, BMW, Daimler sowie die Telekom, Samsung, Huawei und Intel setzen auf diese bisher kaum entwickelte Technologie und auf das superschnelle 5G-Netz. Andere Unternehmen wie Volkswagen, die Audi-Mutter, und Siemens setzen ebenfalls auf autonomes fahren, jedoch mit WLAN als Kommunikationsmittel. Wie am Beispiel deutlich wird, geht es nicht nur um Standards für das Autofahren der Zukunft, sondern auch um Standards für unsere Städte, für das Straßenbild und die vollständige Vernetzung und Beobachtung von allem, was sich irgendwie im öffentlichen Raum bewegt: George Orwell wird sich im Grabe umdrehen angesichts solcher Pläne, die selbst er sich nicht ausdenken mochte.
Wollen wir so leben? Wollen wir so mobil sein? Soll der Mensch, die Straße, die Stadt dermaßen für die Interessen der Autokonzerne aus- und abgerichtet werden?
Die Entscheidungen dafür werden heute getroffen – auch in deutschen Konzernzentralen in Wolfsburg und Stuttgart, in Stadtverwaltungen von Hamburg, Berlin, Dresden und München, bei jeglichem Straßenbau in Deutschland. Es gibt viele gute Gründe, in das Getriebe dieser orwellschen Horrrorpläne Sand und Eisenspäne zu streuen. Zum Teil tun das die daran beteiligten Ingenieure wohl auch schon – wie anders wäre es zu erklären, dass die Entwicklung und der Verkauf von Elektroautos so schleppend bzw. fast gar nicht voran kommt? Eine Millionen Elektroautos in Deutschland bis 2020? Dafür hat die Bundesregierung schon viele Milliarden rausgehauen, eine „nationale Plattform Elektromobilität“ ist grandios gescheitert und es geht einfach nicht voran. Mit dem gleichen Geld hätten schon viele Bahnstrecken ausgebaut werden können, der Wagenpark hätte vergrößert werden können und die Fahrpreise hätten gesenkt werden können.
Das Elektro-Auto ist keine Alternative
Die Gründe für das Scheitern der individuellen Elektromobilität sind vielfältig, das Konzept ist einfach grundfalsch. Die Mobilität der Zukunft kann nicht auf privaten oder individuellen Autos, viel Blech und Elektronik auf vier Gummireifen fußen. Die Ressourcen dafür sind nicht vorhanden und der Strom dafür ist schon lange nicht vorhanden. Die Idee ist einfach Gaga! Die Lastenhefte der großen Autohersteller besagen, dass das Elektroauto ebenso groß, ebenso schnell und eine ebensolche Reichweite haben muss, wie Autos mit Verbrennungsmotor: SUV’s mit mindestens 150 PS, Platz für 5 bis 6 Personen und viel Gepäck, Höchstgeschwindigkeit um die 200 km/h und eine Reichweite von über 500 Kilometern. Die Nutzung von 90 Prozent aller Autos besteht weit überwiegend in einer Person, unter 100 km pro Tag und einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von weit unter 100 km/h. Würden dafür Elektroautos angeboten und Alternativen für die gelegentlich andere Nutzung (mehr Raum und größerer Radius), würden wohl auch mehr Elektroautos verkauft werden; erst dadurch würden sie überhaupt erschwinglich werden. Nur der Profit wäre an solchen Autos nicht so hoch. Aus gleichem Grund ist z.B. bei Volkswagen die Fertigung des 3-Liter-Autos eingestellt worden: zu wenig Profit. Aber wie gesagt, die Ingenieure scheinen pfiffig genug, den aufgezwungenen Größenwahn zu blockieren. Audi hat jetzt angekündigt, die geplante Auslieferung des Modell E-Tron um mehrere Monate zu verschieben: Die Software funktioniert nicht (zulassungsrelevant) und muss grundlegend überarbeitet werden. Das Auto soll in der Basisversion übrigens 80.000 Euro kosten. Daran wird deutlich, dass diese Mobilität der Zukunft ohnehin nur für die Reichen geplant wird. Neben die ökologischen und technischen Probleme tritt so auch die soziale Frage, die mit dieser Entwicklung untrennbar verbunden ist: Mobilität als Recht für alle oder als Luxus nur für die Reichen?