Kommunalpolitische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen

Ich bin gebeten, ein erstes Resümee des gemeinsame Projekt der RLS Nds. und des Linken Kommunalpolitischen Forums Niedersachsen (LKFN) zu kommunalpolitischer Bildung zu ziehen.

Das mache ich sehr gerne, nicht nur, weil ich diese Bildungsreihe mit Dr. Michael Braedt zusammen initiiert und konzipiert habe, sondern weil – wie in anderen Politikfeldern auch – Bildung und Fachwissen die Voraussetzung für wirksames Eingreifen ist. Ohne kritische politische Bildung geht es nicht. Und da so etwas in der Schule und in den meisten Studiengängen nicht vermittelt wird, müssen wir, die wir die Welt verändern und gestalten wollen, uns der Mühe der politischen Bildung unterziehen.
Ich spreche ganz bewusst von Bildung und Fachwissen, weil Bildung mehr ist als die Vermittlung von Daten, Fakten, Gesetzen und ähnlichem.
Bei Bildung geht es im schöpferischen Sinn um die Erarbeitung von grundlegenden Positionen und Haltungen. Die Freiwilligkeit der Teilnahme und die aktive Mitarbeit in den Seminaren sind zwei grundlegende Voraussetzungen, um solche Prozesse in Gang zu setzen. Es gibt weitere, auf die ich gleich zu sprechen komme.

Es geht um Linke Politik in der Kommune – einfach gesagt, aber doch höchst komplex und voraussetzungsvoll.

In der Kommune kulminieren alle Nachteile der kapitalistischen Gesellschaft:
Wir haben es mit Armut, vor allem mit extremer Kinderarmut zu tun; Armut ist vor allem weiblich.
Wir haben es mit Tafeln zu tun, bei denen Bedürftige sich anstellen müssen um von Privaten gespendete Lebensmittel geschenkt zu bekommen;
Wir haben es mit Schulen, Kinder- und Gesundheitseinrichtungen zu tun, die Aufgrund der Schwäche der Kommunen, der Landflucht und der demografischen Entwicklung marode sind und teils geschlossen werden müssen – ein Teufelskreis.
Wir haben es mit Menschen zu tun, die aus Leiharbeit und dem Niedriglohnsektor kommen, mit Menschen, die oft und oft schon sehr lange auf Hartz IV angewiesen sind.
Wir haben es teils mit extremer Wohnungsnot, mit Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit zu tun.
Wir haben es mit Kommunen zu tun, die finanziell systematisch ausgetrocknet wurden und also mit einer Finanzknappheit, die kaum Spielräume für irgendwelche politischen Entscheidungen lässt.

Andererseits kulminieren in der Kommune auch die Vorteile der solidarischen und demokratischen Gesellschaft, schließlich hat der Begriff „Kommune“ ja etwas mit Gemeinsamkeit und Selbstverwaltung zu tun:
„Die Politik“ ist nicht so weit weg, den Bürgermeister oder das Stadtratsmitglied kann man direkt ansprechen. Man kennt sich – vor allem in kleineren Kommunen, aus Sportvereinen, von der Feuerwehr oder aus der Volkshochschule und es gibt keine große Distanz in der Politik, wie das auf Landes- oder Bundesebene der Fall ist.

Aber was kann unter diesen Bedingungen linke Politik sein?

Die Definition davon, was linke Politik in der Kommune sein kann, ist dann auch der Einstieg in das Seminar.

Nur ein Beispiel: „Soziale Gerechtigkeit“ ist ein häufig vorgebrachter Begriff – aber er muss konkret mit Inhalt gefüllt werden. Nehmen wir das Thema Mobilität: Anspruch auf Mobilität haben alle, aber nicht alle haben ein Auto – und das ist auch gar nicht wünschenswert. Sozial ungerecht ist es also, nur Straßen für Autos zu bauen. Sowohl flächendeckende und sichere Radwege als auch ein preiswertes und gut ausgebautes System des ÖPNV sind notwendiger Teil der sozialen Gerechtigkeit. Daraus leitet sich dann eine auf der Hand liegende linke Position ab, die in der Kommune laut und vernehmlich zu kommunizieren ist:
Weniger Geld für Straßenbau (im Zweifel gar keins), mehr Geld für Radwege und ÖPNV. Die Schwierigkeit besteht dann darin, dass das teils verschiedene Träger und verschiedene Kassen sind, aus denen solche Projekte finanziert oder eben nicht finanziert werden. Die Tücken des Alltags, die Linke in der Kommune bearbeiten und überwinden müssen.

Oft helfen bei der Beurteilung der Gerechtigkeitsfrage weitere einfache Fragen: Wem nutzt es? Warum nutzt es bestimmten Gruppen / Personen? Auf welche Weise nutzt es bestimmten Grippen oder Personen?

Ausgehend vom Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, zwischen arm und reich, der sich natürlich auch in der Kommune widerspiegelt, ist linke Politik eine eindeutige Parteinahme für diejenigen, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen, für diejenigen, die abgehängt und an den Rand gedrängt wurden. Eine weitere Spaltung der Gesellschaft nutzt niemanden etwas!

Angesichts der Dominanz neoliberaler Politik, angesichts der tatsächlichen Finanzknappheit vieler Kommunen stellt sich die Frage, wie eine Kehrtwende einzuleiten ist.

Die Möglichkeiten auf kommunaler Ebene dafür sind sehr bescheiden. Das muss man zur Kenntnis nehmen, man darf nicht glauben, von der Kommune aus die Welt verändern zu können.
Aber wir können durch viele kleine Bausteine die Menschen ermuntern und unterstützen, ihre Dinge selbst in die Hand zu nehmen:
Durch Zusammenarbeit und Unterstützung von Bürgerinitiativen die nicht Partikularinteressen dienen,
durch öffentliche und interessante Fraktionssitzungen,
durch Bürgerversammlungen zu bevorstehenden Entscheidungen im Stadt- oder Gemeinderat,
durch die Einbringung und Veröffentlichung sozialer Initiativen von Abgeordneten oder Fraktionen im Stadt- und Gemeinderat.

Dem liegen drei Überlegungen zu Grunde:
Erstens: Wir wollen nicht das Elend der Kommune verwalten, sondern Alternativen aufzeigen – wenn sie über die Kommune hinausgehen, müssen wir die Begrenztheit von Kommunalpolitik einerseits verdeutlichen, die Möglichkeiten von Engagement und Protest andererseits.

Zweitens: Wir wollen mehr Demokratie, Transparenz bei allen Entscheidungen, wir wollen die Bürgerinnen und Bürger in die kommunalen Belange einbeziehen.
Das ist zweifellos anstrengend, aber schließlich ist das Mandat im Stadt- oder Gemeinderat ja kein Selbstzweck!

Drittens: Alle Entscheidungen, die wir auf kommunaler Ebene treffen, dürfen der sozial-ökologischen Wende nicht im Wege stehen, sondern müssen diese ermöglichen, besser noch befördern. Das betrifft fast alle kommunalpolitischen Felder und ist oft nicht mit Geld verbunden, kann linke Positionen in der Kommune aber durchsetzungsfähig machen.

Die weiteren Module des Seminars bauen auf dieser (gemeinsam erarbeiteten) Definition linker Politik in der Kommune auf:
Ein Überblick über die Kommunalverfassung und über die Rechte und Pflichten von Abgeordneten, sowie ein erster Blick in kommunale Finanzen und kommunale Haushaltsplanung.

Wichtig sind noch zwei weitere Voraussetzungen für ein erfolgreiches Seminar, die ich kurz nennen möchte:

Erstens: Die Teilnehmenden kommen aus einem Kreis oder aus einer Region. Manchmal kennen sie sich schon, manchmal noch nicht. Sie können sich aber immer aufeinander und auf die Region beziehen in ihren Überlegungen, Fragen und Vorschläge, die alle Beteiligten nachvollziehen können. Das Seminar entwickelt dadurch eine große Konkretheit und eine Dynamik, die weit über das Seminar hinaus wirkt. Es wird ein kleines Netz von Menschen geknüpft, die gemeinsam linke Politik in Kommunen machen können und machen wollen.

Zweitens: Immer kommt es darauf an, die Ideen und die Fragen der Teilnehmenden in den Mittelpunkt des Seminars zu stellen. Kurze und anregende Inputs des Referentinnenteams wechseln sich ab mit Gruppenarbeit, mit Textarbeit und mit Diskussionen im Plenum. Durch diese Methode wird gewährleistet, dass die Teilnehmenden selbst wesentlich Ergebnisse des Seminars erarbeiten und somit anders verinnerlichen, als das bei Vorträgen oder anderen Formen des Frontalunterrichtes der Fall wäre.

Das fünfte Modul ist dann wieder sehr konkret und praxisbezogen.
Wir beschäftigten uns mit Wählermilieus, definieren vordringliche kommunale Projekte und entwerfen Struktur und Schwerpunkte eines Kommunalwahlprogrammes. Des Weiteren geht es bei diesem Modul um die Rolle und die Zusammenarbeit von Abgeordneten oder Fraktionen mit der Partei oder, bei Gruppenbildung, mit den Parteien und um die Öffentlichkeitsarbeit von Abgeordneten oder Fraktionen sowie um weitere Bildungsangebote auch und gerade nach der Wahl in den Stadt- oder Gemeinderat.

Dann erst beginnen die Mühen der Ebene, die ohne Partner außerhalb des Stadtrates und ohne weitere Bildung und Qualifizierung nicht wirklich gut gemeistert werden können. Soviel Zeit muss immer sein, ansonsten wird der Anspruch, linke Politik in der Kommune zu machen, leicht verspielt.

Zusammengefasst:
Der inhaltliche Prozess besteht darin, dass vom allgemeinen Anspruch linker, emanzipatorischer Kommunalpolitik, der zunächst kollektiv erarbeitet wird, zu konkreten Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten der Durchsetzung im Rahmen der Kommunalverfassung und der Kommunalfinanzen gearbeitet wird – bis hin zu Überlegungen für linke, emanzipatorische Forderungen zur nächsten Kommunalwahl einschließlich der für ihre Durchsetzung notwendigen Bündnispartner.
Der methodische Prozess besteht darin, dass die Teilnehmenden ihre eigenen Ansprüche zum Ausgangspunkt der Forschungsarbeit machen. Die Teamer*innen geben Hilfestellung durch Hinweise auf Rechtsquellen und vermitteln ihre Erfahrungen in parlamentarischer und außerparlamentarischer kommunaler Tätigkeit als Angebot zur weiteren Erprobung.
Der gruppendynamische Prozess besteht darin, dass Personen aus einer Region sich (neu / anders), ihre Übereinstimmungen, ihre Kontroversen, ihre Interessen und ihre Hobbys im Verlauf des Seminars kennenlernen. Sie beziehen sich im Verlauf des Seminars aufeinander und können diese Beziehung nach Abschluss des Seminars konstruktiv und produktiv weiter entwickeln.
Bisher haben in folgenden Orten Seminare stattgefunden: Region Hannover, Stadt Hannover, Osnabrück, Hildesheim, Uelzen, Celle, Wolfsburg, Leer und Delmenhorst.
Nun sind noch einige Seminare im Frühjahr geplant, so in Braunschweig, Emden, Lüneburg und einigen weiteren Kreisen.
Die Referentinnen und Referenten haben nicht nur viel Arbeit gehabt, sondern in diesem Prozess auch selbst eine Menge gelernt. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei diesen ganz herzlich und persönlich zu bedanken:

Wir sind sicher, damit einen guten Beitrag geleistet zu haben, damit linke Politik in der Kommune in diesem Jahr der Kommunalwahl in Niedersachsen besser und solider angegangen wird, als das bisher der Fall war. Die Seminarreihe ist auch ein gutes Beispiel für die Kooperation zwischen der RLS Nds. und dem Linken Kommunalpolitischem Forum Niedersachsen.

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