Zölle, Rückrufe, Dieselgate: Erstmals seit 2012 muss Daimler eine sogenannte „Gewinnwarnung“ ausgeben – was für ein blödsinniges Wort. Volkswagen verhandelt eine Kooperation mit Ford, um, wie die Deutsche Welle berichtet, „Wettbewerbsfähigkeit beider Unternehmen zu stärken“. Die Aktienkurse der deutschen Autoindustrie befinden sich im Sinkflug. Mittels der Allianz wollen VW und Ford Synergiepotenziale identifizieren um Entwicklungs- und Produktionskosten zu teilen und flexibler zu werden. Hintergrund für die Kontaktaufnahme ist dem Vernehmen nach auch, dass für Transporter mit Pkw-Zulassung ab 2020 in Europa die gleichen CO2-Vorgaben gelten wie für Personenwagen.
„Um uns den Herausforderungen der sich wandelnden Märkte zu stellen, sind wir unausweichlich auf mehr Flexibilität durch Kooperationen angewiesen“, betonte Thomas Sedran, Leiter Volkswagen Konzernstrategie. Im April erst hatte der Wolfsburger Konzern, zu dem die Lkw-Marken MAN und Scania gehören, eine Kooperation mit dem japanischen Hersteller Hino Motors, einer Tochter des VW-Rivalen Toyota, angekündigt. VW Truck ist zudem am US-Lkw-Hersteller Navistar mit knapp 17 Prozent beteiligt und hat eine komplette Übernahme nicht ausgeschlossen.
Die Erklärungen von Daimler und Volkswagen sind verworren, in sich nicht stimmig und verschleiern die tatsächlichen Probleme: Die Märkte sind – von China abgesehen, gesättigt. Die schlechte Qualität führt immer wieder zu Rückrufen und zu teuren Reparatur-Aktionen. Der Abgasbetrug und die nicht mehr haltbaren „Freiheitsversprechen“ der Ideologie der Autowerbung führen zu sinkenden Absätzen. Der Kampf um neue Märkte und um neue Geschäftsfelder ist spekulativ, kapitalintensiv und frisst an den Profitmargen. Neue „Player“ wie Google, Apple & Co. kommen mit neuen Ideen und einer unglaublichen Kapitalmacht auf den Markt der Mobilität.
In gestelzter Sprache teilt Daimler zur „Anpassung der Ergebniserwartung“ mit: „Maßgeblich dafür ist, dass bei Mercedes-Benz Cars aus heutiger Sicht aufgrund der erhöhten Einfuhrtarife für US-Fahrzeuge in den chinesischen Markt von geringeren als bisher erwarteten SUV-Absätzen sowie höheren – nicht vollständig an die Kunden weiterzugebenden – Kosten auszugehen ist. Dieser Effekt kann durch Neuallokation der Fahrzeuge in andere Märkte nicht vollständig kompensiert werden. Maßgeblich ist weiter, dass in der zweiten Jahreshälfte im Zusammenhang mit dem Zertifizierungsprozess nach dem neuen Standard WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) mit Belastungen zu rechnen ist. Des Weiteren wird das Ergebnis von Mercedes-Benz Vans im Zusammenhang mit dem Rückruf von Diesel-Fahrzeugen belastet. Zudem wird das Ergebnis des Geschäftsbereichs Daimler Buses durch die rückläufige Nachfrage in Lateinamerika negativ beeinflusst.“
Die Krise ist also unübersehbar – aber sie betrifft eben nicht nur und nicht in erster Linie die Profite, sondern zunächst und am härtesten die Beschäftigten. Kurzarbeit ist in vielen Betrieben geplant. Und mit „Kooperationen“ gibt auch überwiegend negative Erfahrungen. Wie sollte es auch anders sein, wenn es um höhere Flexibilität und Kostensenkung in der Produktion geht. Die Belegschaftsvertreter von Ford und Volkswagen in Brasilien haben ihre Erfahrungen mit einer ähnlichen Kooperation, der „Autolatina“ nicht vergessen. https://www.facebook.com/WagnerSantanaSMABC/videos/186222665374940/?hc_ref=ARSBxS_kN26bCVf9bF1JWbgMhx85nmboi7bNi-2zlWFWoIXE7rDImCEKPPvTU_0N_kQ&fref=nf
Der gemeinsame Kampf von Beschäftigten von Ford Köln und dem von Schließung bedrohten Ford-Werk in Bordeaux macht deutlich, in welche Richtung es gehen sollte.
Diese Richtungsveränderung wurde vor ein paar Tagen auch im Seminar „Soziologie der Ingenieurberufe“ in Berlin deutlich, einer Kooperation der TU und der IG Metall. Das Seminar beschäftigt sich in mehreren Sessionen mit der Konversion der Autoindustrie, u.a. mit einem Rollenspiel zur künftigen Mobilitätspolitik. Dabei wurden u.a. folgende Materialien genutzt:
Die Planung der Zukunft darf nicht den betrügerischen und nur am Profit orientierten Management überlassen bleiben. Swehr erfreulich, wenn sich auch angehende Ingeniuerinnen und Ingenieure mit dem Thema beschäftigen. Gemeinsames gewerkschaftliches und politisches Handeln wird dringender denn je.