Die VW-Tochter MOIA hat Mitte Juni 2025 in Hamburg den ID. Buzz AD vorgestellt – einen serienreifen, vollautonomen Elektro-Van des VW-Konzerns. Das Fahrzeug ist laut Unternehmen technologisch ein Meilenstein und Teil eines umfassenden Angebots für Kommunen und Flottenbetreiber.
Allein die Ankündigung sorgt bei vielen Leuten für Euphorie, die eierlegende Wollmilchsau sei erfunden:
„Diese Nachrichten sind einfach zu gut. Das System wurde holistisch gedacht und so entworfen, dass es alles abdeckt, nicht nur autonomes Fahren. Das ist die Zukunft, und gleichzeitig eine Bedrohung für die Fahrzeughersteller selbst, wer kauft sich ein Auto, wenn er extrem günstig seine eigene Mobilität abdecken kann?“
Mit dem ID. Buzz AD betritt Volkswagen die nächste Stufe der Mobilitätsentwicklung. Der Elektro-Van ist das Herzstück der „MOIA Turnkey Solution“, die, holistisch gedacht, alle nötigen Komponenten für den Betrieb fahrerloser Shuttles vereint. Dazu gehören:
- Das Fahrzeug selbst – ein für den gewerblichen Einsatz umgebauter ID. Buzz.
- Das Self-Driving-System – entwickelt mit dem Spezialisten Mobileye, basierend auf künstlicher Intelligenz und mit 27 Sensoren (13 Kameras, 9 Lidar, 5 Radar) für eine redundante 360-Grad-Umfelderkennung.
- Die VW-eigene Software (MaaS-Platform) zur Echtzeit-Flottensteuerung, Fahrgastunterstützung, Sicherheitsüberwachung und Integration in Buchungssysteme bedeutet umfangreichen Personaleinsatz im Kontrollzentrum. „Behalten Sie Ihre Flotte jederzeit im Blick und steuern Sie alle Aspekte Ihres On-Demand-Mobilitätsangebots mit unserer AD Mobility-as-a-Service Ecosystem Platform. Bieten Sie Ihren Fahrgästen besten Service – dank einer benutzerfreundlichen App und der Mobility Intelligence Suite. Unsere Passagiermanagement-Software nutzt KI, um während der Fahrt das Geschehen im Fahrzeug zu überwachen und zu steuern. Gleichzeitig ermöglichen Tools zur Flottensteuerung Ihrer Leitstelle, bei Bedarf aus der Ferne einzugreifen.“
- Operator Enablement – Schulungs- und Betriebstools, die Mobilitätsanbieter bei der praktischen Einführung und dem täglichen Betrieb unterstützen.
Die Lösung erfüllt die Anforderungen der SAE-Level-4-Automatisierung, einschließlich Fernsteuerbarkeit in Sonderfällen. Trotz der Autonomiefähigkeit bleibt ein Fahrersitz im Fahrzeug erhalten – aus regulatorischen und sicherheitstechnischen Gründen.
Die Barrieren zur Fahrzeugnutzung sind vergleichsweise hoch: Das Fahrzeug wird per Smartphone gerufen und geöffnet – vollständig digital. Zur Zeit sind nur 15 von 500 der konventionelle MOIA-Fahrzeuge rollstuhlgerecht. Die Fahrzeuge bieten nur für vier Fahrgäste Platz, kosten wahrscheinlich wesentlich mehr als 100.000 Euro mit der aufwändigen technischen Innen- und Außenausstattung.
Der Pilotbetrieb soll 2025 in Hamburg starten. Für 2026 ist die Serienzulassung in weiteren Regionen Europas sowie in den USA geplant. Damit, so der Konzern, wird autonome Mobilität in großem Maßstab realisiert – „als Antwort auf Herausforderungen wie Fahrermangel, Mobilitätslücken im ländlichen Raum und wachsenden Bedarf an flexiblen On-Demand-Transportlösungen“. Das Unternehmen geht von einem Bedarf und der Produktion von 100.000 Fahrzeugen pro Jahr aus.
MOIA sagt: „Um den Verkehr spürbar zu entlasten, muss Ridepooling selbstfahrend werden.“ Dafür plant das Unternehmen für Hamburg im optimalen Szenario 5.000 autoAutos. Das wären Investitionen von deutlich über 500 Millionen Euro. Im Betrieb werden 50 Prozent Preisreduktion im Vergleich zu 2019 angekündigt / unterstellt. In der Prognose bzw. Simulation E – „die Mobilitätswende schreitet voran“1 (eine von MOIA beauftragte und bezahlte Simulation der Mobilität in Hamburg mit gesetzten Variablen) werden 700.000 NutzerInnen pro Woche / 100.000 am Tag = ca. 50.000 Fahrten (2 Pers. pro Fahrt) unterstellt. Und das sagen die Claqueure: „Wenn die Fahrt von der Vorstadt in die Innenstadt nur noch 5 € kostet, der Wagen innerhalb von 3 Minuten vor der Tür steht und man ein und aussteigen kann wo man will, ohne sich um Parkplätze kümmern zu müssen, ist dieses Geschäftsmodell unschlagbar. Selbst bei nur € 100 netto-Erlös am Tag bleiben 36.500 für AfA und Gewinn.“ Die Preise von MOIA in Hamburg sind deutlich höher und der Betrieb wird vom Eigentümer Volkswagen mit dreistelligen Millionenbeträgen subventioniert. WENN dann mal der Strompreis sinkt und WENN dann mal fahrerlos gefahren werden kann, werden Volkswagen oder andere Anbieter selbstlos und im Interesse der Kunden die Preise senken und auf maximalen Profit verzichten? Wenn die Fahrt von der Vorstadt in die Innenstadt, wie unterstellt, nur 5 Euro kostet: wie viele solcher Fahrten müssen erfolgen, damit am Tag 100 Euro netto übrig bleiben (das Personal und die Technik des Flottenmanagements müssen von den 5-€-Fahrten ja auch getragen werden).
Hochgerechnet vom derzeitigen „Flottenmanagment“ braucht es für die 5.000 autoAutos mindestens 200 hochqualifizierte und flexibel einsetzbare und gut bezahlte Leute im „MOIA Fleet Control Center“. Konservativ gerechnet kostet das 10 Millionen Euro pro Jahr oder, unterstellt die Simulation würde Realität, zwei Euro pro Fahrt.
Grundsätzlich ist die Richtung gut. Aber: privatwirtschaftlich geht es um Profit und also um zu hohe Preise. Der ÖPNV kann (und muss) nicht kostendeckend sein. Außerdem sind diese Fahrzeuge von VW mit nur vier Passagieren zu klein, um sinnvoll eingesetzt zu werden in ländlichen Regionen. Und noch Jahre warten bis (sehr teures) autonomes fahren funktioniert – die Zeit haben wir eigentlich nicht.
Also: Die Technologie nutzen, um den ÖPNV jetzt für alle zu verbessern – nicht erst in ein paar Jahren in privilegierten Regionen für die Partylöwen.
1https://www.moia.io/mobility_analytics/studies/2102_Ridepooling_Mobilita%CC%88tsoption_fu%CC%88r_alle.pdf und https://www.moia.io/mobility_analytics/studies/2112_MOIA_Ergebnisbericht_Begleitforschung.pdf
Fotos © Stephan Krull
