Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich

Stadler Bahnindustrie in Berlin: Umweltkatastrophen, Millionengewinne und Lohnklau von fünf Millionen Euro pro Jahr.

Im Februar 2025 hatte Stadler Deutschland angekündigt, trotz guter Auslastung unter erheblichem wirtschaftlichem Druck zu stehen. Am Standort Berlin müsse es harte Einschnitte und Maßnahmen geben, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Beschäftigungsabbau und eine Teilschließung des Standorts seien möglich. Als Gründe wurden die anhaltenden Folgen des Zusammenbruchs von Lieferketten infolge der Corona-Pandemie genannt sowie Preissteigerungen für Energie und Rohmaterial infolge des Krieges in der Ukraine.

Klima killt Arbeit – Stadler stellt das im eigenen Geschäftsbericht für 2024 so da:

„Das Geschäftsjahr 2024 war für Stadler nebst großen Erfolgen am Markt und dem Gewinn von wichtigen Aufträgen geprägt von drei Umweltkatastrophen mit massiven Zerstörungen. Die folgenschweren Überschwemmungen im Wallis (CH), in Dürnrohr (AUT) und insbesondere in Valencia (ESP) führten zu massiven Verzögerungen und Unterbrüchen in der Produktion und beeinträchtigen die Lieferketten. Rund 350 Millionen Franken Umsatz mussten deshalb vom Geschäftsjahr 2024 ins Jahr 2025 und 2026 verschoben werden.

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen konnte Stadler strategisch wichtige Aufträge gewinnen und den Auftragsbestand auf 29.2 Milliarden Franken erhöhen. Aktuell arbeitet Stadler an 360 laufenden Aufträgen.

Allerdings: Die schwache wirtschaftspolitische Entwicklung in Deutschland stellt auch die Stadler-Werke in Berlin-Brandenburg unter erheblichen Druck. Zudem wurden bisher erst 484 der 1’500 Wagen für die U-Bahn Berlin bestellt.

Auf Stufe Konzernergebnis verbuchte Stadler im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von 55 Millionen Franken und eine Gewinnrücklage von 663 Millionen Franken. Der hohe Auftragseingang führt dazu, dass die Produktionsleistung in den kommenden Jahren massiv ansteigen wird. Der Verwaltungsrat beabsichtigt zuhanden der Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2024 eine Dividende von 20 Millionen Franken (CHF 0.20 pro Aktie) zu beantragen.

Seit 25 Jahren wieder in Betrieb – eine Straßenbahn in der 200.000-Einwohnerstadt Salt Lake City / USA. Im Oktober erhielt Stadler den Stadtbahnauftrag für die Stadt. Der Vertrag umfasst die Lieferung von bis zu 80 CITYLINK-Strassenbahnen. Die Metra (Metropolitan Rail) in Chicago schliesst mit Stadler einen Rahmenvertrag über sechzehn batterieelektrische Triebzüge ab.

Stadler ist, nach Alstom und Siemens, der drittgrößte Hersteller von Schienenfahrzeugen in Europa und mit den rund 1.700 Beschäftigten einer der größten industriellen Arbeitgeber Berlins. In Berlin-Pankow werden alle Produkte für den deutschen Markt sowie Straßen- und Stadtbahnen für den Export entwickelt, gefertigt und montiert. Seit 2015 ist die in Pankow konstruierte und hergestellte Baureihe im Berliner U-Bahn- Netz unterwegs. 2020 hat Stadler die Ausschreibung der Berliner Verkehrsbetriebe für sich entschieden: auch die neue U-Bahnbaureihe wird in Berlin für Berlin produziert. Im Zusammenhang mit den genannten Umweltkatastrophen sagt Stadler: „Unsere Züge sind Teil der Lösung.“

Nach einem Gespräch mit dem regierenden Bürgermeister Wegner am 28. Februar fand am 14. März 2025 ein Gespräch zwischen der IG Metall, der Stadler-Geschäftsführung und Wirtschaftssenatorin Giffey statt. „Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey hat betont, dass Stadler für den Wirtschaftsstandort Berlin von essenzieller Bedeutung sei und der Berliner Senat deshalb auch schon Millionenförderungen an das Unternehmen vergeben hätte. Der Senat habe daher ein großes Interesse, den Standort zu erhalten“, äußert sich Jan Otto, Bevollmächtigter der IG Metall Berlin nach dem Gespräch. „Wir haben uns besonders über den Austausch gefreut, da Franziska Giffey in den Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Industrie sitzt. So konnten wir das Thema Bahn und die Bedeutung einer nachhaltigen Auftragsvergabe erneut platzieren“, so Otto weiter.

Um die Zukunft von Stadler zu sichern fordert die IG Metall mehr öffentliche Aufträge für das Unternehmen. Besonders die Bahnindustrie ist stark auf solche Aufträge angewiesen. Jan Otto stellt klar: „Wenn mehr Aufträge vergeben werden, stellt sich die Frage der Auslastung nicht. Das wäre ein klares Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Berlin und den rund 1.700 Beschäftigten bei Stadler.“ Hintergrund ist ein Rahmenvertrag zwischen dem Land Berlin und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) zur Erneuerung der Schienenfahrzeugflotte, der ein Volumen von bis zu drei Milliarden Euro umfasst. Die BVG hat bei Stadler bislang rund 500 der neuen U-Bahnen bestellt, wobei der Vertrag auch die Option auf insgesamt 1.500 Züge vorsieht.

Von der Autoindustrie zur Bahnindustrie?

Auch die S-Bahn-Ausschreibung steht hierbei im Fokus. „Wir drängen darauf, die S-Bahn-Ausschreibung schnell voranzutreiben, da sie für Stadler und auch für Siemens Mobility massive Auslastung sichern würde. Solche Aufträge sind für die langfristige Perspektive der Beschäftigten und den gesamten Standort von entscheidender Bedeutung“, betont Jan Otto. Wenn im deutschen Koalitionsvertrag kein Schwerpunkt auf Autoindustrie läge, sondern auf der Bahnindustrie, wenn den Kommunen mehr Geld zur Verfügung stünde, wenn mehr Aufträge vergeben würden, stellt sich die Frage der Auslastung bei Stadler und Alstom nicht. Es würden Kapazitäten aufgebaut werden und fachlich qualifizierte Menschen aus der Autoindustrie könnten zu guten Bedingungen in die Bahnindustrie wechseln. Das wäre nachhaltige strategische Industriepolitik.

Nun gibt es ein Verhandlungsergebnis, über das u.a. der RBB berichtet: Der wirtschaftlich angeschlagene Zughersteller Stadler wird bis 2032 weiter in Berlin-Pankow produzieren und keine Beschäftigten entlassen. „Wir haben uns für eine Beschäftigungssicherung in einer ersten Phase bis März ’29 ausgesprochen. Was wir natürlich dann auch gefordert und auch zugesagt bekommen haben: Eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit (von 38) auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich.“ so Stadler-Geschäftsführer Mikolčić. Zwei Stunden mehr pro Woche Gratis-Arbeit mal 1.700 Beschäftigte – das ist doch mal eine Hausnummer von gut fünf Millionen Euro pro Jahr.

https://www.igmetall-berlin.de/aktuelles/meldung/ig-metall-erzielt-durchbruch-zukunft-des-stadler-werks-in-berlin-gesichert

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