Die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Auto- und Zulieferindustrie sollen die Zeche für verfehlte Modellpolitik zahlen.
Seit Ausrufung einer deutschen Wirtschaftskrise erleben wir hierzulande Angriffe auf Arbeitsrechte. CDU und FDP proklamieren eine Wirtschaftswende, Ex-Finanzminister Lindner will wie der argentinische Kettensägen- und Sozialabbau-Präsident „mehr Milei wagen“, VW-Chef Blume verlangt eine umfassende Neuausrichtung der Politik, einen Masterplan für die Industrie. Die CDU liefert mit ihrer Agenda 2030.
Die Arbeit in der Autoindustrie steht dabei wegen verschlafener Antriebswende, wegen falscher Modellpolitik, wegen sinkender Nachfrage und wegen verschärfter globaler Konkurrenz im Mittelpunkt. Lange unmöglich erscheinende Werksschließungen und Massenentlassungen sind in Wolfsburg, Zwickau und Emden, in Saarlouis, Köln und in Zentren der Zulieferindustrie bittere Realität geworden.
In Deutschland produzieren rund 750.000 Menschen jährlich 5 Millionen Fahrzeuge und verdienen so ihren Lebensunterhalt. Der Umsatz von 600 Milliarden Euro und Gewinn von gut 50 Milliarden Euro macht die ökonomische Macht dieses Industrieblocks deutlich. Die Autoindustrie hat wesentlichen Anteil am deutschen Exportüberschuss von zuletzt 173 Milliarden Euro. Die Betriebe sind gewerkschaftlich gut organisiert, deshalb gibt es relativ gute Löhne, die zugleich Steuern generieren und Kaufkraft darstellen.
Das größere Problem ist die Inflation
Wir hatten 2023 und 2024 Dellen von -0,3 und -0,2 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. Das größere Problem ist die Inflation von 20 Prozent seit 2020. Dabei sind die Preise für Lebensmittel und Energie noch schneller und höher gestiegen – zugunsten der Milliardengewinne der Lebensmittel- und Energiekonzerne.
Für die Autoindustrie gibt es eine andere Konjunktur: Produktion und Absatz von Autos sind weltweit eingebrochen – minus 18 Millionen pro Jahr von 2017 bis 2023. Das betrifft die deutschen Hersteller VW, Mercedes sowie deren Töchter und am stärksten die Zulieferer. Selbst Tesla hat ein Absatzminus von 40 Prozent zu verkraften. Das deutsche Exportmodell hat sich erschöpft. „Der Scheck aus China ist kleiner geworden“, heißt es bei den Autobossen. Es ist ein Krieg um Märkte und Marktanteile, der auf dem Rücken der Arbeiter*innen ausgetragen wird.
Mit der falschen Modellpolitik, nur große und teure Fahrzeuge anzubieten, stiegen zunächst die Profite. Das befeuert aber gleichzeitig die Klimakatastrophe und blockiert die Mobilitätswende. Mittlerweile leidet auch die Kapitalverwertung, sinkt die Profitrate. Volkswagen bedauert, künftig nur noch 3,5 Prozent des Aktienwertes statt wie im vergangenen Juni 10 Prozent oder 4,5 Milliarden Euro an die Aktionär*innen auszuschütten. Die Gewinnrücklage des Konzerns beträgt 140 Milliarden Euro. Volkswagen ist kein Sanierungsfall.
Tatsächlich handelt es sich um eine Krise der Beschäftigung: 75.000 Arbeitsplätze wurden in der Branche in den zurückliegenden Jahren gestrichen oder verlagert. Ablesbar ist das am bundesweiten Anstieg der Erwerbslosigkeit auf unbereinigte 8 Prozent oder 3,6 Millionen Erwerbslose, denen 600.000 offenen Stellen gegenüberstehen. Dies ist Anlass zum Angriff auf soziale Rechte der Arbeiter*innen: Mercedes-Boss Källenius: „Es darf nicht so einfach sein, sich krank zu melden.“ Der Patriarch des Porsche-Piëch-Clans Wolfgang Porsche sieht in der Mitbestimmung einen Bremsklotz. Und der Stern schreibt: „Zu lange haben VW-Arbeiter wie Maden im Speck gelebt.“
Nach großen Warnstreiks und zähen Verhandlungen vor Weihnachten 2024 wurden bei VW Werksschließungen und Entlassungen abgewendet und gleichzeitig schmerzliche Zugeständnisse gemacht: Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen, Reduzierung der Ausbildungsplätze von 1.400 auf 600 und Entgeltreduzierung durch Arbeitszeitverlängerung für tausende Beschäftigte von 33 auf 35 Stunden. Zudem kann VW 5,5 Prozent der Entgelte als „Beschäftigtenbeitrag“ einbehalten: in Summe mehr als 10.000 Euro brutto pro Beschäftigtem und Jahr.
Die IG Metall weiß, dass die Personalkosten nicht das Problem sind. Also ist die Senkung der Personalkosten auch keine Lösung. Deutlich wird: Lohnverzicht sichert keine Arbeitsplätze! Viele Kolleginnen und Kollegen haben aber Schlimmeres befürchtet und sind erleichtert, mit blauem Auge davongekommen zu sein.
Leicht überarbeitet und veröffentlicht in der Zeitschrift NaturFreundin 1-2025 https://www.naturfreunde.de/sites/default/files/naturfreundin_1-25.pdf
