Unruhe bei Volkswagen

Personalabbau, Arbeitszeitverlängerung, Wochenendarbeit und Lohnverlust. Und alle Arbeiterinnen und Arbeiter, alle Ingenieurinnen und Ingenieure, die Leute in der Verwaltung sehen den Anachronismus, die Lügen und das Betrügen, das mit solchen unsozialen Maßnahmen verbunden und das Gegenteil von Zukunftssicherung ist.

Es brodelt bei Volkswagen und in den Städten mit Werken und Niederlassungen des VW-Konzerns. Die Wolfsburger Nachrichten berichten über „Unruhe“ im VW-Werk wegen geplantem Personalabbau einerseits und Überstunden an Samstagen und Sonntagen andererseits. „Der geplante Personalabbau wird seine Spuren in allen Bereichen hinterlassen. Auch in der Produktion stehen die Zeichen auf Verkleinerung der Teams. Das heißt, dass es bei der derzeitigen Produktionsplanung künftig nicht ohne Extraschichten an Samstagen und Sonntagen gehen wird. Parallel soll über Abfindungen und Altersteilzeit Personal abgebaut werden. So muss verstärkt an den Wochenenden gearbeitet werden. … Für den 15., 22. und 29. März sind verpflichtende Samstag-Frühschichten vereinbart worden. … Doch heiß her geht es vor allem an den Sonntagen. Los geht es am 29. Januar, dann folgen der 9., 16. und 23. Februar. Im März wird dann durchgehend in Sonntag-Nachtschichten gearbeitet.“ Wolfsburg CDU-Oberbürgermeister lenkt den Missmut auf Migrantinnen und Migrantent, nachdem die geringeren Steuerzahlungen von VW zu einem Haushaltsloch von 270 Millionen Euro geführt haben: „Zu knapp bemessen ist auch die Kostenpauschale für Asylbewerber. 6000 Euro schießen die Kommunen pro Person zu.“ Er kündigte an, künftig mehr Menschen abschieben zu wollen.

Im sächsischen Zwickau werden seit über hundert Jahren Autos gebaut – doch nun ist die Angst groß. VW will zehntausende Stellen streichen, davon betroffen ist auch das Werk in Zwickau. Das ist besonders bitter, weil man dort wie im Werk Emden voll auf Elektroautos gesetzt hat. Doch der Umstieg läuft nicht, erstmals seit der Übernahme durch Volkswagen 1990 stehen nachts die Bänder still. Die Folgen spürt man hier bereits, der Standort bleibt bedroht und verlor Produktion an die Fabrik in Wolfsburg.

Aus Emden berichtet der ostfriesische Kurier, dass der Volkswagen-Konzern Ernst macht mit seinen Sparmaßnahmen. Er streicht die von den Beschäftigten gewählte erste Führungsebene innerhalb der Fertigung. Die Fabrikkosten sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre drastisch gesenkt werden, um den Produktionsauftrag für den ID.4-Nachfolger im Jahr 2031 zu bekommen. In Zahlen heißt das: Die Fabrikkosten für den ID.7 liegen derzeit bei 8200 Euro pro Stück. Binnen zweier Jahren sollen sie nur noch 4050 Euro betragen. Die Produktionszeit pro Fahrzeug muss um elf Stunden sinken.

Die Zukunft der Werke in Osnabrück und Dresden ist ungeklärt. Im Osnabrücker Werk mit über 100jähriger Tradition und Erfahrung, mit über 2.000 Arbeiterinnen und Arbeitern, läuft die Produktion 2027 aus. Nun wird über den verkauf der Fabrik an einen chinesischen Hersteller spekuliert. Nachrichtenagenturen berichten, dass VW zu einem Verkauf bereit wäre: Ein Sprecher von VW erklärt großzügig: „Wir haben gesagt, dass wir uns für eine Weiternutzung des Standortes Osnabrück nach dem Auslauf des VW T-Roc Mitte 2027 einsetzen.“

In Dresden, der sogenannten „Gläsernen Manufactur“, im schönen Großen Garten ist die Produktion fast vollständig eingestellt. Die meisten der etwas mehr als 300 Arbeiterinnen und Arbeiter pendeln zu anderen Standorten von Volkswagen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass aus der gläsernen Fabrik eine elitäre Party-Location für die Schönen und Reichen werden wird. Solche Innovationen wie die Gütertram, die für diesen Standort mal entwickelt wurden, sind längst auf der Strecke geblieben.

Einige Haken bei dem Tarifabschlusses bei Volkswagen werden jetzt sichtbar. Da wird der ganze Unsinn deutlich: Arbeitszeitverlängerung bei gleichzeitigem Lohnraub und Personalabbau. Diese Strategie fährt das Unternehmen schon länger – Überstunden von vielen Arbeiterinnen und Arbeitern bringen den größten Profit für die Aktionäre. Die Anlagen laufen länger, es werden mit weniger Personal mehr Autos produziert und es gibt geringste Personalkosten. Überstunden sind aber sehr ungesund, sie rauben den Arbeiterinnen und Arbeitern die Zeit mit ihren Familien, mit ihren Partner*innen, mit ihren Kindern. Es ist geraubte Lebenszeit. Umgekehrt wäre es gesellschaftlich und volkswirtschaftlich nützlich: Kurze Vollzeit für alle und gute Arbeit für diejenigen, die heute erwerbslos sind. Nützlich wäre eine Produktion von kleinen smarten Autos und Fahrzeugen für den öffentlichen Verkehr.

Bei etlichen Töchtern von Volkswagen, für die der Tarifvertrag nicht gilt, sieht es noch düsterer aus. Die Anzahl der Fahrerinnen und Fahrer bei MOIA in Hamburg und Hannover ist schon drastisch reduziert, im Potsdamer Volkswagen Design Center sind zum Jahreswechsel die Lichter ausgegangen. Das Center war die größte Zukunftswerkstatt des Konzerns, dort entstanden Forschungsfahrzeuge und Prototypen, gut 100 Ingenieurinnen und Ingenieure stehen jetzt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Der RBB berichtet: „Die Funktion des Centers als Zukunftslabor für neue Technologien – wie beispielsweise rund um die Elektromobilität und des damit verbundenen neuen Kunden-Ökosystems – wurde sukzessive in den regulären Innovationsprozessen der Marken des Konzerns integriert“, teilte eine Sprecherin zur Begründung mit. Das operative Geschäft des Desing-Centers wird zum Ende 2024 eingestellt. Das Center fällt in die Zuständigkeit der Konzerntochter Volkswagen Group Services, in der es keine Beschäftigungssicherung, keinen Ausschluss betriebsbedingter Entlassungen gibt.

Die von Volkswagen gesponserte private „Neue Schule“ in Wolfsburg führt ein Schulgeld von 240 Euro pro Monat und Schüler*in ein. Und wir sind erst am Beginn des Niederganges, zu dem den Regierungen in Berlin und Hannover offensichtlich nichts einfällt.

Volkswagen in öffentliches Eigentum

Wenn Volkswagen die Produktion einstellen oder runterfahren will, ist das zunächst gut, weil es ohnehin zu viele Autos gibt. Wenn das aber passiert, ohne dass Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr produziert werden, führt das eher zu Mobilitätsarmut. Und mindestens die Betriebsteile von Volkswagen, die jetzt stillgelegt werden, sollten nach Artikel 14/15 unseres Grundgesetzes enteignet und in öffentliches Eigentum überführt und als Genossenschaften oder gemeinnützige Gesellschaften weitergeführt werden.

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