Krisenpläe für Autobranche könnten einseitg das Kapital stützen: Einzelbetriebliche Arbeitszeitregelungen helfen nicht!
Bei Volkswagen, BMW und Daimler, ihren großen Zulieferern Continental, Bosch und ZF sowie zahlreichen mittleren und kleineren Betrieben war das erste Halbjahr 2020 eine Katastrophe. Im Juli gab es laut Verband der Automobilindustrie mit einem Absatzminus von 5,4 Prozent »den bislang geringsten Rückgang im laufenden Jahr«. Im ersten Halbjahr summierte sich der auf 35 Prozent – nachdem die Branche seit mehr als 70 Jahren auf Wachstum gepolt war.
Es ist eine Krise mit Ansage: Bereits vor der Coronapandemie war es zu Absatzrückgängen in Europa gekommen. Durch die Pandemie wurden sie vertieft und beschleunigt. Und sie bedrohen die Profite der Konzerneigner. So hatte der Vorstand der zur Schaeffler-Gruppe gehörenden Continental AG bereits im Herbst 2019 von 20.000 Arbeitsplätzen gesprochen, die verschwinden sollten. Und nun das »Drama«: Mutter Maria-Elisabeth und Sohn Georg Schaeffler fielen vom dritten Platz der reichsten Deutschen auf den sechsten Platz zurück. Momentan verfügen sie »nur« noch über ein privates Geldvermögen von 17 Milliarden Euro.
Fakt ist: Eigentümer und Konzerne schwimmen quasi im Geld, kassieren dennoch staatliche Coronahilfen und Kurzarbeitergeld. Kleinere Unternehmen haben kaum Rücklagen, geraten, weil die Großen nichts abnehmen und ihre Rechnungen nicht bezahlen, in eine Liquiditätskrise, müssen Insolvenz anmelden und Betriebe schließen. Die Folgen tragen inzwischen Millionen Beschäftigte: Zwölf Millionen waren bzw. sind in Kurzarbeit, drei Millionen sind erwerbslos – und die Talsohle der Krise ist noch nicht erreicht.
In den Chefetagen bleibt man cool: Schließlich hat man die Beschäftigten als Geiseln – denn Massenentlassungen will der Staat vermeiden. Dennoch wird seit Monaten bei Continental (weltweit 240.000 Beschäftigte) über Kostensenkungen und Personalabbau im vierstelligen Bereich spekuliert. Diese Spekulationen seien »durch das Topmanagement angeheizt, vielleicht auch systematisch verbreitet worden«, so Jörg Köhlinger, Bezirksleiter der IG Metall, in der FAZ vom 31. August. Die Gewerkschaft fordert den Vorstand auf, jetzt schnell Verhandlungen über Beschäftigungssicherung aufzunehmen. Auch die verlängerte Kurzarbeitsregelung, Vorruhestand und Altersteilzeit als Instrumente zum Jobabbau werden nicht ausreichen. »Bei der Pandemie und den Konjunkturproblemen hilft uns die Kurzarbeit, für die Transformation haben wir den Vorschlag einer Viertagewoche gemacht«, so Köhlinger. »Wir werden es nicht akzeptieren, wenn jetzt einige die Krise für umfangreiche Strukturanpassungen nutzen wollen.«
Die Einführung einer Viertagewoche hatte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann in der Süddeutschen Zeitung am 17. August angeregt. Das ist in Gewerkschaftskreisen und sozialen Bewegungen auf Zustimmung und Kritik gestoßen. Zustimmung, weil die Debatte um die Arbeitszeit wieder aufgemacht wurde, Kritik, weil es nicht um eine allgemeine und kollektive Arbeitszeitverkürzung geht, sondern darum, in Betrieben oder Betriebsteilen die Arbeitszeit zu reduzieren, solange die Krise andauert. Unter dem Strich, so Kritiker, ergebe das eine rein betriebswirtschaftliche Sanierung zu Lasten der Beschäftigten. Zumal sie mit Lohnkürzungen verbunden wäre.
Die Initiative »Offensive Gewerkschaftspolitik« kritisiert, der Vorschlag »scheint darauf zu zielen, betrieblich und im Einvernehmen mit den Arbeitgebern – wenn Kurzarbeit nicht mehr möglich ist – im Wege einer Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit weiter zu verkürzen«. So sei der Vorschlag »keinesfalls mit einer Tarifauseinandersetzung verbunden, die sich, wie es aber erforderlich ist, an gesellschaftliche Grund- und Zukunftsfragen heranwagt«. Betriebliche Regelungen »lösen das Problem der Überkapazitäten nur durch Verschärfung der Konkurrenz auf dem Rücken anderer Belegschaften«.
Die Arbeitsgruppe »Arbeit fair teilen« von ATTAC befürwortet eine Arbeitszeitverkürzung. Allerdings nur bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Und sie warnt: »Ohne breite gesellschaftliche Unterstützung wird die Gewerkschaft diesen Kampf nicht gewinnen können, zumal die ›Arbeitgeber‹ und ihre Freunde eine aggressive Kampagne gegen die Arbeitszeitverkürzung fahren werden«, heißt es in einer Mitteilung vom Montag. Es gelte, »mutig gesellschaftliche Grundfragen« zu stellen. »Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung auf durchschnittlich vier Tage in der Woche zur Arbeitsplatzsicherung, zum Abbau von Belastungen, zur fairen Teilung aller Arbeit und zum Schutz von Umwelt und Klima ist ein solcher guter Schritt.«