Die Autoindustrie hierzulande steckt in der tiefsten Krise seit 70 Jahren. Zulieferer stehen vor Pleitewelle
Ein Drittel weniger Pkw wurden im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland zugelassen, bei Opel-Fahrzeugen weniger als 50 Prozent. Die Produktion sank branchenweit um 40 Prozent. Das ist der stärkste Einbruch seit 70 Jahren – liegt aber in gewisser Weise im Trend: In den Jahren 2018 und 2019 sank die Inlandsproduktion schon jeweils um fast zehn Prozent. Der Absatz wird fast ausschließlich von der Volksrepublik China getragen – in allen anderen Märkten geht es teils steil bergab. In vielen Ländern, so z. B. in Brasilien, gibt es Massenentlassungen und Betriebsschließungen im Automobilsektor.
Was ist zu tun in einer solchen Situation? Regierung und Industrie setzen auf Kooperationen wie die von Volkswagen und Ford, auf Fusionen wie die von PSA und Fiat (FCA). Dabei geht es um die Konzentration von Kapital bzw. um Kürzungen, es geht um Synergien in der Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen sowie um die Beseitigung von Überkapazitäten. Der Streit um Industriespionage zwischen Volkswagen und der Hastor-Gruppe (Prevent) ist eines der abschreckenden Beispiele, mit welchen Mitteln und Methoden der Konkurrenzkampf geführt wird. Alle Hersteller setzen auf Elektroautos. Tatsächlich sind E-Autos aber Teil des Problems, kein Ansatz für eine Lösung. Sie stehen der Energie- und Mobilitätswende im Weg, verbrauchen Ressourcen und Platz, emittieren im Lebenszyklus CO2 sowie Feinstaub und verschlingen Milliarden an Subventionen und Investitionen.
Bei Volkswagen ist das operative Ergebnis im ersten Quartal um 75 Prozent eingebrochen, die Steuerzahlungen wurden entsprechend gekürzt. Meist weisen die Autokonzerne dank kreativer Buchhaltung noch schwarze Zahlen aus, die sind jedoch trügerisch. Rücklagen werden in dem mörderischen Konkurrenzkampf um Märkte und Marktanteile jetzt zum ausschlaggebenden Faktor: Wer kann am längsten durchhalten? Nach der »Bereinigung« des Marktes gibt es für die verbliebenen Unternehmen eine neue Ausgangsposition. Vielleicht bleiben Markennamen wie »Opel« oder »Alfa Romeo« erhalten – von den dahinter stehenden Unternehmen vermutlich wenige.
Die großen Auto- und Zulieferkonzerne haben Stellenstreichungen und Kürzungsprogramme eingeleitet, kostensenkende Kurzarbeit wurde auf bis zu 21 Monate verlängert. Die Arbeitslosenversicherung zahlt bis zu 87 Prozent des Nettoentgelts. Vielfach wurde darüber hinaus mit dem Betriebsrat eine partielle Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich vereinbart. Die Gewerkschaft ist an diesen Vereinbarungen nicht unmittelbar beteiligt, trägt sie aber weitgehend mit. So kürzt Autozulieferer ZF die Arbeitszeit für 50.000 Beschäftigte um 20 Prozent, Daimler zunächst befristet bis Oktober 2021. Bei Daimler geht es um 70.000 Beschäftigte außerhalb der direkten Produktion, denen Lohn und Arbeitszeit um zwei Stunden bzw. sechs Prozent gekürzt werden. An den Beispielen wird deutlich, wer für die Krise zahlen soll. In der kleinteiligen und mittelständischen Zulieferindustrie mehren sich Pleiten und Insolvenzen mit verheerenden Folgen für die Beschäftigten und die Regionen.
Notwendig wäre eine Arbeitszeitverkürzung. Dafür gab es in den zurückliegenden Wochen viele Anregungen, die von den Gewerkschaften aufgegriffen werden sollten. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli hält die Zeit gekommen für die 30-Stunden-Woche, sagte sie unlängst dem Tagesspiegel. Linken-Kovorsitzende Katja Kipping schlägt die Viertagewoche inklusive Anschubfinanzierung vor: »Die Viertagewoche macht Beschäftigte glücklicher, gesünder und produktiver. Gerade jetzt, in der Coronakrise, wäre ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen.« Sie schlägt vor, dass Unternehmen, die die Arbeitszeit verkürzen, für ein Jahr einen Lohnzuschuss von bis zu 25 Prozent erhalten. Danach soll ein Tarifvertrag mit einer Höchstarbeitszeit von 30 Stunden verpflichtend werden – mit Lohnausgleich, aber ohne weitere staatliche Kofinanzierung.
Verbunden mit einer »Mobilitätswende«, die zu mehr Beschäftigung im Bahnsektor führt, könnten die Folgen der aktuellen Krise der Autoindustrie sozial und ökologisch nachhaltig begrenzt werden.
Moin.
Mir fällt bei dem Thema Arbeitszeitverkürzung auf, das dieses vielfach von Frauen angeschoben wird, siehe die finnische Premierministerin Sanna Marin, welche die 4-Tage Woche im letzten Jahr angesprochen hat und medial viel Aufsehen erregte. Dann wäre da noch die Neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern, welche in der Corona Krise eine 4-Tage Woche vorgeschlagen hat.
Es muss einen wundern, das die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, da nicht einhaken und nach langer Zeit die Diskussion um die Lebens- und Arbeitszeit wieder anschieben. Das Verlangen der Menschen weniger zu arbeiten ist ja da, sichtbar bei dem Riesenerfolg der Freistellungstage bei T-Zug (auch wenn es sich dabei mehr um Arbeitszeitgestaltung handelt). Die Zuspruchquoten bei den Kollegen & Kolleginnen die es in Anspruch nehmen können liegt zum Teil bei fast 90%!
Diesen Schwung gilt es doch aufzugreifen und Ende des Jahres, wenn die neuen Tarifverhandlungen anstehen, in Aktion umzusetzen. In diesem Sinne.
Mit freundlichen Grüssen