Razzia beim Automobilzulieferer Continental wegen VW-Abgasbetrug
Staatsanwaltschaft und Polizei hatten am 1. Juli Büros der Continental AG in Hannover, Frankfurt am Main und Regensburg durchsucht. Hintergrund der Razzien ist der Abgasbetrug bei Volkswagen. Die Staatsanwälte verdächtigen Continental, stärker an der Entwicklung der illegalen Abschaltvorrichtung bei Verbrennungsmotoren beteiligt gewesen zu sein, als angenommen.
Für die Continental war es nicht die erste Razzia in diesem Jahr. Bereits im Januar waren Geschäftsräume des Automobilzulieferers, der mehrheitlich zur Schaeffler-Gruppe gehört, durchsucht worden. Die Schaeffler-Gruppe hat ihren Ursprung in den 1930er Jahren und war an der Vertreibung von Juden aus Deutschland, am Raub von deren Betrieben und an der Auspressung von Zwangsarbeitern beteiligt. Die Ursprünge von Continental reichen sogar 150 Jahre zurück. Für die Kautschukgewinnung in Asien, Afrika und Südamerika beutete das Unternehmen Menschen und Länder aus.
Es gibt kein größeres Unternehmen der Auto- und Zulieferindustrie, dem nicht Beteiligung oder Beihilfe an dem gigantischen Abgasbetrug vorgeworfen oder nachgewiesen wurde: Millionen Fahrzeuge von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW, Daimler und Opel mit manipulierter Technik von Continental, Bosch, »Siemens VDO« (seit Dezember 2007 Teil der Schaeffler-Gruppe) und ZF wurden in vielen Ländern vertrieben. Möglich wurde dieser Betrug auch dadurch, dass es innerhalb dieser »Deutschen Auto-AG« einen recht flexiblen Wechsel von Beteiligungen und Managern gibt: Man kennt sich in der obersten Kaste der Automanager und weiß fast alles voneinander. Der Rückkauf der Fahrzeuge, die Reparatur sowie Buß- und Strafgelder summieren sich inzwischen auf fast 40 Milliarden Euro.
Continental legt Wert auf die Feststellung, dass sich das Ermittlungsverfahren gegen Einzelpersonen im Unternehmen richtet, zwei Geschäftsführer und eine Handvoll Ingenieure. Einzelne Beschäftigte der Automotive-Sparte sollen den Wünschen von VW entsprochen haben, die verbotene Abschalteinrichtung herzustellen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt neben dem Verdacht der Beihilfe zum Betrug wegen Vorlage falscher Urkunden und Verletzung der Aufsichtspflichten. »Es geht um das Steuergerät und das Einspritzsystem für den VW-Motortyp EA189. Volkswagen hat die Aufträge dazu 2006 ›Siemens VDO‹ erteilt und die Komponenten in den Folgejahren verwendet«, sagte Staatsanwalt Oliver Eisenhauer jüngst dem Handelsblatt.
Die Ingenieure und Manager von Continental hätten also wissen können, dass VW eine illegale Manipulation der Emissionswerte erreichen wollte. Über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren wurden Kunden systematisch betrogen, die Umwelt stark geschädigt und Steuern hinterzogen. Denn werden – hier fälschlicherweise – geringe Abgaswerte angegeben, ist auch eine niedrigere Kfz-Steuer fällig. Gegen das Unternehmen selbst leitete die Staatsanwaltschaft ein Bußgeldverfahren ein wie schon zuvor gegen Bosch und ZF. Ihnen allen wird vorgeworfen, die Betrugssoftware ab 2002 an die Autohersteller geliefert zu haben. Continental erklärte kürzlich kleinlaut: »Wir haben an keinen unserer Kunden Software zum Zweck der Manipulation von Abgastestwerten geliefert«. Vielmehr hätten sich die »im jeweiligen Zeitraum gültigen Abgasgrenzwerte grundsätzlich einhalten lassen«.
Neben der Jagd nach maximalem Profit geht es bei dem Betrug und der Kartellbildung um einen Existenzkampf. Die Konjunktur auf dem Automarkt ist seit zwei Jahren rückläufig, die Gewinne sinken und die Investitionen steigen. Die Krise wird zur Marktbereinigung, zu Zwangsfusionen genutzt, die nett als »Kooperation« umschrieben werden. Selbst Autokonzerne fusionierten (PSA und Opel, Fiat und Chrysler).
Die Unsicherheiten aus den Vorjahren haben sich während der Coronakrise vergrößert. Das Ende für das bisherige Geschäftsmodell rückt sichtbar näher, die notwendige und zukunftsträchtige Mobilitätswende, die Orientierung auf den öffentlichen Nahverkehr und die Schaffung entsprechender Strukturen wird von den Unternehmen und der Regierung bisher verweigert.
In der Finanzkrise des Jahres 2008 gab es über 80 Insolvenzen in der Branche, die neuerliche Zuspitzung der Krise mit Absatzrückgängen um 20 Prozent wird ungleich schwerere Folgen für Hunderttausende Beschäftigte haben. Die Mobilitätswende und Transformation in der Branche muss von den Belegschaften angestoßen werden, nur so gibt es die Aussicht, Pleitewellen, Betriebsschließungen und Massenentlassungen zu verhindern.
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