VW-Konzern streicht Milliardengewinne ein und wehrt sich gegen Einfluss von Beschäftigten
Frühere VW-Arbeiter in Brasilien fordern Gerechtigkeit (Sao Bernardo do Campo, 14. Dezember 2017)
Foto: Paulo Whitaker/REUTERS
Bei der Aktionärsversammlung von Volkswagen am Donnerstag in Berlin war beste Laune angesagt – 11,6 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern, 84 Milliarden Euro Gewinnrücklagen, eine Kapitalrendite von über zwölf Prozent, 50 Millionen Euro für die Vorstandsmitglieder und Dividenden von vier Milliarden Euro für die Eigentümer.
Die andere Seite der Medaille sind rasant steigende Arbeitshetze, Personalabbau und schier endlose Mehrarbeit. Zu den Methoden des deutschen sozialpartnerschaftlichen Musterbetriebes gehört die ungleiche Bezahlung von Menschen, die die gleiche Arbeit verrichten, sortiert nach verschiedenen Tarifverträgen nicht nur zwischen Niedersachsen und Sachsen, sondern auch innerhalb eines Werkes durch Spaltung der Belegschaften.
Zu diesen Methoden gehört auch die Missachtung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte, wie sie in den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation festgelegt sind. In Chattanooga/USA verweigert das Unternehmen in Kooperation mit der reaktionären Regierung des Staates Tennessee inzwischen seit Jahren eine betriebliche Interessenvertretung – Subventionen in Millionenhöhe nahm VW gern entgegen. Im chinesischen Changchun wurden nach Protesten zwar 3.000 Leiharbeiter übernommen – der vorenthaltene Lohn wurde jedoch nicht nachgezahlt. Fu Tianbo, einer der Organisatoren der Proteste, sitzt im Gefängnis.
Gelegentlich gibt es Dokumente solch menschenrechtswidrigen Verhaltens des Konzerns, wie am Beispiel einer argentinischen Gewerkschaftsinitiative deutlich wird. Deren Sprecher, Pablo Nicola Zarelli, wird mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bedroht, wenn er seine Anstrengungen zur Anerkennung der Gewerkschaft nicht einstellt. Das Perfide daran: Das Unternehmen verweist auf die seit Jahrzehnten im Betrieb etablierte Gewerkschaft SMATA, die allein die Interessen der Beschäftigten zu vertreten habe – als gäbe es keine Koalitionsfreiheit, als hätten die Beschäftigten nicht das Recht, sich selbst gewerkschaftlich zu organisieren. Das Volkswagen auf die SMATA verweist ist andererseits kein Wunder, war diese Gewerkschaft doch schon zu Zeiten der Militärdiktatur ein pflegeleichter Partner für Unternehmen und die Junta.
In einem Schreiben vom 27. November 2017, das jW vorliegt, schrieb Gabriel Alejandro Cavagni, Bevollmächtigter von Volkswagen Argentinien: »Sie dürfen während Ihrer Arbeitszeit im Werk keinerlei gewerkschaftliche Aktivitäten entfalten. Das ist gesetzlich nicht zulässig.«
Der Dachverband der Kritischen Aktionäre wirft dem VW-Konzern zudem schwere Versäumnisse bei der Aufarbeitung der Kollaboration von VW do Brasil mit der brasilianischen Militärdiktatur in den Jahren 1964 bis 1985 vor. »Nach Erscheinen der Studie des von VW beauftragten Historikers Christopher Kopper zur Verstrickung von Volkswagen do Brasil in die Greueltaten der Militärdiktatur im Dezember 2017 hätte der Konzern auf die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter zugehen müssen. Eine öffentliche Entschuldigung und angemessene Entschädigungszahlungen wären das mindeste gewesen«, erklärte Christian Russau, Vorstandsmitglied des Dachverbands und Mitarbeiter des Forschung-und Dokumentationszentrums Chile – Lateinamerika (FDCL), in einer Pressemitteilung am Mittwoch. Dies sei aber nicht erfolgt. »Dem Vorstand von VW do Brasil war vollumfänglich bekannt, dass Brasiliens Regime foltern und morden ließ. Er wusste, was mit den Menschen passierte, nachdem VW do Brasil Informationen über diese Personen an das Folterregime weitergegeben hatte.«
Geradezu zynisch ist in diesem Zusammenhang die Erklärung des neuen VW-Vorstandschefs Herbert Diess. Volkswagen müsse »noch ehrlicher, offener, wahrhaftiger, in einem Wort: anständiger werden«, sagte er am Donnerstag.
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