VW und der Zulieferer Prevent liefern sich einen erbitterten Schlagabtausch. Leidtragende sind die Beschäftigten
Stephan Krull in junge welt, 10. April 2018
Dicke Luft: Prevent ist bei VW nicht mehr mit an Bord
Foto: Nicolas Armer/dpa
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In der Auto- und Zulieferindustrie wird mit harten Bandagen um Macht und um Profite gekämpft – immer auf dem Rücken der Beschäftigten. So hat nun etwa VW seine Aufträge für Sitzbezüge und Gussteile bei den Prevent-Töchtern in Schönheide, Plauen und Stendal fristlos gekündigt. Wenn kartellartige Absprachen und Vereinbarungen nicht halten, dann wird eben das Kriegsbeil ausgepackt.
Konkret geht es um die berüchtigte Firma Prevent der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor. Deren Senior Nijaz Hastor war Manager und später Anteilseigner der Autofabrik von Sarajewo (TAS), in der zu jugoslawischen Zeiten bis zum Krieg gegen das Land VW-Modelle gebaut wurden. Man kennt sich also und ist nun um so verbitterter über die »unlauteren Absichten« des jeweils anderen beim Kampf um die Pfründe.
Die Hastors hatten mit ihrer Firma ASA Auto viele Jahre Exklusivverträge für den Vertrieb von VW-Fahrzeugen auf dem Balkan. Das Geschäft wollen die Piëchs und Porsches seit einiger Zeit aber lieber selber machen, zumal die Folgen des Abgasbetruges viel Geld kosten. Die Bosnier reagierten sauer und kauften VW-Zulieferbetriebe in verschiedenen Ländern auf, mit deren Hilfe der Kampf jetzt ausgetragen wird.
Bereits im Sommer 2016 stand gar die Produktion in einigen VW-Werken still, weil die nur vier Monate zuvor von Prevent erworbenen Unternehmen Car-Trim und ES-Guss instrumentalisiert wurden und keine Teile an die Autofabriken lieferten. Wenn in der BRD und in Brasilien die Bänder von VW stillstehen, geht es schnell um hunderttausend Fahrzeuge, Zehntausende Beschäftigte und Umsatzeinbußen in dreistelliger Millionenhöhe. Es wurde seinerzeit »nach langen Verhandlungen« nicht nur eine Einigung erzielt, deren Wortlaut geheim blieb, sondern eine »langfristige Partnerschaft« vereinbart, die, wie wir heute wissen, nicht lange hielt.
Nun also die Retourkutsche aus Wolfsburg: Car-Trim und ES-Guss bleiben auf ihren Produkten sitzen, Kurzarbeit, Entlassungen und Fabrikschließungen drohen den etwa 900 Beschäftigten in den ohnehin gebeutelten ostdeutschen Regionen Altmark und Vogtland. Die Tageszeitung Freie Presse zitierte am vergangenen Freitag einen Gießereiarbeiter aus Schönheide: »Es gibt weniger Arbeit, viele Leiharbeiter sind schon zu Hause. Nächste Woche bin ich das auch.« Die Stimmung im Betrieb ist vor der Betriebsversammlung am morgigen Mittwoch gedrückt und angespannt. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Zwickau, Thomas Knabel, beklagt, dass der Konflikt der verfeindeten Brüder auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen wird. Ob ein Vertreter der Prevent-Gruppe an der Betriebsversammlung teilnehmen und Aussagen zur Zukunft machen wird, ist bisher unklar.
Ein Blick auf das Firmenimperium der Familie Hastor ist hilfreich, um deren Agieren zu verstehen. Es reicht von der heute in den Niederlanden ansässigen Beteiligungsgesellschaft Eastern Horizon Group über ein deutsches Tochterunternehmen, die Tahoe Investors GmbH, bis zu Prevent mit Finanzdienstleistungen, Autovermietung, Bau von Yachten sowie der Produktion von Schutzkleidung. Die Konzernstruktur ist – gelinde gesagt – undurchsichtig und mit Absicht sehr verschachtelt.
Die versuchte Übernahme des bayrischen Autozulieferers Grammer scheiterte. Der Küchenhersteller Alno ging kurz nach dem Kauf in Insolvenz. 2009 wurde die in Österreich ansässige Ebyl Austria als Hersteller von Textilien für die Autoproduktion sowie deren internationale Standorte in Rumänien, Ungarn und der Slowakei nach Insolvenz und Verdacht der Bilanzfälschung übernommen. 2010 folgte dann der Hagener Sitzehersteller TWB Presswerk, im Jahr 2015 die Machalke Polsterwerkstätten im fränkischen Hochstadt sowie der Delbrücker Möbelhersteller Gepade, der noch im selben Jahr seinen Geschäftsbetrieb einstellte. Nach der Übernahme des Südamerika-Geschäftes von Keiper Anfang 2015 zettelte Prevent den Streit mit VW in Brasilen an. Die jüngste Übernahme ist der saarländische Autozulieferer Halberg-Guss.
Es geht also zu wie im Casino – allerdings wird dabei mit der Existenz von Menschen gespielt. So sorgen sich in Schönheide, Plauen und Stendal Hunderte Familien um ihre Zukunft. Wie beim Streit vor zwei Jahren, als VW Kurzarbeitergeld für 7.500 Beschäftigte in Emden beantragte, wird die Arbeitslosenversicherung zur Kasse gebeten, die regionalen Erwerbslosenzahlen werden nach oben gehen und die Gewerbesteuereinnahmen für die Kommunen sinken. Die gnadenlose kapitalistische Konkurrenz und die Jagd nach maximalen Profiten nimmt auf menschliche Bedürfnisse und regionale Besonderheiten eben keine Rücksicht.
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