VW, Daimler und BMW: 180 Milliarden Euro Gewinnrücklagen!

Vergesellschaftung jetzt! Mobilitätsbedürfnisse in den Mittelpunkt statt Orientierung auf Maximalprofite!

Die Autoindustrie ist eine der Schlüsselindustrien in unserem Land – systemrelevant insoweit, als dort hunderttausende Menschen beschäftigt sind und ein großer Teil des Sozialproduktes hergestellt wird. Zu den Aufgaben der Gewerkschaft in diesem Bereich gehört die „Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamtwirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten sowie die Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum (Satzung der IG Metall, §2.4).

In der Krise wird sichtbar, was wirklich systemrelevant ist, nämlich die Produktion und Verteilung von Lebensmitteln, die Gesundheitsversorgung, der Erhalt und die Pflege von öffentlicher Daseinsvorsorge und Infrastruktur. Die Autoindustrie würde besser geschrumpft, gewendet und in Gemeineigentum überführt wird.

Das wird an ein paar nackten Zahlen aus den Geschäftsberichten der „big three“ von VW, Daimler und BMW deutlich.

Volkswagen

Daimler

BMW

Beschäftigte in Deutschland1

180.000

80.000

50.000

Umsatz in Milliarden Euro (weltweit)

253

172

104

Gewinn nach Steuern in Milliarden Euro

13,9

2,7

5,0

Gewinnrücklagen in Milliarden Euro

97

22

58

Aller drei stöhnen über die schwierige Lage 2019, alle drei haben Personalabbau vorgenommen und angekündigt. Daimler schreibt u.a.:

„Zu den Maßnahmen gehört … die Verringerung der Personalkosten bis Ende 2022 um mehr als 1,4 Mrd. Euro. Ziel ist ein weltweiter sozialverträglicher Abbau von Arbeitsplätzen.“

VW-Vorstandschef Herbert Diess erklärt u.a.: „Darüber hinaus bereinigt die Komponente konsequent ihr Produktportfolio um nicht wettbewerbsfähige Produkte.“ (JPK, 17.3.2020 in Wolfsburg). Wohl auch vor dieser Kulisse ist die Schließung der Sitzefertigung der VW-Tochter Sitech in Hannover zu betrachten, ebenso die Nichtweiterbeschäftigung fast aller Leiharbeiter sowie die Veränderung in der Zusammensetzung der Belegschaften: weniger in der Produktion – mehr in der Entwicklung und der Verwaltung. Aber auch ein absoluter Abbau von Beschäftigen von ca. 400 Arbeiterinnen und Arbeitern von Beginn 2019 bis Februar 2020 erspart dem Unternehmen jährliche Personalkosten von ca. 20 Millionen Euro.

Die Bezüge des Vorstandsvorsitzenden Diess belaufen sich auf 10 Mio € für 2019 inkl. Versorgungsaufwand von 1,4 Mio., seine Vorstandskollegen bekommen jeweils etwa die Hälfte davon. Die Gewinnausschüttung für 2019 beträgt ca. 1 Milliarde Euro für den Porsche-Piëch-Clan und ca. 300 Millionen Euro für die Scheichs von Katar. Die Quandt-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt kassieren jeweils fast die Hälfte des BMW-Gewinns von 5 Milliarden Euro.

Die einzelnen Werke werden nicht öffentlich bilanziert: „Für das Geschäftsjahr 2019 stimmt die Gesellschafterversammlung der Befreiung der Gesellschaft von der aus §§ 325 ff. HGB folgenden Offenlegungspflicht gemäß § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB zu.“ Oder so: Für das Geschäftsjahr xy ist die Gesellschaft durch Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 264 Abs. 3 Nr. 1 HGB von der Offenlegungspflicht befreit.“

Das Stöhnen über das Jahr 2019 ist insoweit nicht unberechtigt, als der Verkauf von Autos wesentlich schwieriger geworden ist: Marktsättigung, Rückgang der kaufkräftigen Nachfrage und mörderische Konkurrenz auf den Märkten führten zu einer Stagnation im Absatz. Für eine auf Wachstum angewiesene Ökonomie und durch viele Erfolge verwöhnte Branche ist das ein Schock: Bei Volkswagen gab es nennenswerte Zuwächse nur in Deutschland und Brasilien – allerdings verbunden mit außerordentlichen Kosten in Größenordnung von 20 Milliarden Euro für den Vertrieb. Auf allen anderen Märkten gab es entweder ein sehr schwaches Wachstum (China) oder rückläufigen Absatz. Für den VW-Konzern insgesamt nur ein mühsam bilanziertes Plus von 0,5 Prozent beim globalen Absatz.

Interessant dabei, dass insbesondere die bisherigen Volumenmodelle Polo, Golf und Passat Federn lassen mussten – die größeren und kleineren SUV‘s jedoch Zuwachsraten zu verzeichnen haben. Der Absatz der Gruppe von Kleinwagen (up!, Citigo und Mii) ist von 2018 auf 2019 von 175.000 auf 160.000 weltweit gesunken. Die Fahrzeuge kosten durchschnittlich 12.000 Euro und das Unternehmen macht nur wenig Profit damit.
Der Absatz der Luxusfahrzeuge von Porsche ist von 2018 auf 2019 von 268.000 auf 274.000 gestiegen. Die Fahrzeuge kosten durchschnittlich 95.000 Euro. Der Absatz von Bentleys ist um 25 Prozent gestiegen auf 12.400 Fahrzeuge, durchschnittlich für 170.000 Euro. Das Unternehmen macht mehr Profit mit Luxuskarossen.

So ist, trotz Stagnation im Absatz, der Umsatz um 7,1 Prozent gestiegen und der Gewinn, das Ergebnis nach Steuern um 15 Prozent.

Mit den Polstern (Gewinnrücklagen) die die Unternehmen angesammelt haben, werden sie auch diese Krise leicht überstehen. Der Druck, den sie danach auf die Beschäftigten aufbauen werden, ist aber ebenfalls leicht absehbar.

Eine grundsätzlich Frage stellt sich jetzt schon: Inwieweit ist die Autoindustrie tatsächlich „systemrelevant“ und wäre es nicht höchste Zeit, diese tatsächlich zu vergesellschaften und dann vor allem für die Mobilitätsbedürfnisse zu produzieren – statt für den Profit einiger weniger Reicher!

 

1 ca. Zahlen, VW inkl. Audi, Daimler inkl. Smart, Quelle: Geschäftsberichte, eigene Berechnungen

2 Gedanken zu „VW, Daimler und BMW: 180 Milliarden Euro Gewinnrücklagen!“

  1. Danke Stephan,
    gute Argumente. Aber für Vergesellschaftung bräuchte man gesellschaftliche Kräfte, die das durchsetzen können. Und die kann ich jetzt noch nicht sehen. Die perspektivische Notwendigkeit aufzeigen ist sicher richtig. Aber jetzt?
    Vielleicht können wir es jetzt erst mal etwas kleiner und konkreter machen. Z.B.: Die Pendler aus dem Umland der großen Städte werden immer missbraucht, um die Unverzichtbarkeit privater Automobilität in bestimmten Bereichen zu demonstrieren. Wie sollten sie sonst zur Arbeit kommen? Gleichzeitig quälen sich in den Städten jede Menge MOIAs durch die Staus und vergrößern sie. Die könnte man doch einsetzen, um das Umland durch einen intelligenten, attraktiven Nahverkehr mit den Städten zu verbinden.
    Gruß, Ansgar

  2. Hallo Stephan,
    ich habe mit Freude und voller Zustimmung deine Kolumne im nd (13.5.2020) „Warum ausgerechnet diese Industrie?“ gelesen. Deutlicher kann die Zielstellung der Konzerne, aus der „Coronakrise“ Profit zu schlagen, nicht sichtbar werden. Die Fakten auf deiner Website sind wertvolle Ergänzung. Leider sind von den“Sachwaltern des Kapitels“ nicht mal ökologisch sinnvolle Konzepte zu erwarten. Mir bleibt leider auch nur, im engen Wirkungskreis die Systemzusammenhänge in der Pandemiezeit zu diskutieren.
    Danke und bleib gesund
    Brigitte

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