Point of no return – Wer zieht die Notbremse?

Zwei Ereignisse prägen die Stimmung bei Volkswagen: Das Fracksausen nach der Verhaftung des Managers Oliver Schmidt bei einer Urlaubsreise am 8. Januar in Florida und die angeblich brillianten Verkaufszahlen des Jahres 2016.

Dem 48-Jährigen Oliver Schmidt wird eine Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten angelastet. In Handschellen und Gefängniskleidung wurde Oliver Schmidt der Richterin vorgeführt, die die Haft aufrecht hielt. Im April 2014 schrieb Schmidt an seine Vorgesetzten: „Zunächst sollten wir entscheiden, ob wir ehrlich sein wollen oder nicht. Wenn wir nicht ehrlich sind, bleibt alles, wie es ist.“ Schmidt habe zu einer Gruppe von Mitarbeitern gehört, die das Management bei einem Treffen am 27. Juli 2015 über die „Existenz, den Zweck und die Charakteristika“ der Betrugssoftware sowie über die Risiken des Betrugs informierten. Statt die Aufklärung des Falls gegenüber den bereits unter Hochdruck gegen VW ermittelnden US-Behörden anzuordnen, habe die Konzernführung autorisiert, die Tricksereien weiter unter den Teppich zu kehren. Die US-Behörden gehen von krimineller Energie des beteiligten Managements aus, mit dem der Betrug eingefädelt und verschleiert wurde. In Deutschland laufen Ermittlungsverfahren u.a. gegen Winterkorn, Poetsch, Müller und Diess und weitere 20 Manager, die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt – bisher nicht gegen Piëch und Porsche. VW-Markenvorstand Diess hat einen hochkarätigen Rechtsbeistand für sich verpflichtet: Der Strafrechtsprofessor Tido Park verteidigte schon den Münchner Verwalter des NS-Kunstraubes Cornelius Gurlitt.
Gewichtig sind die Belastungen für Volkswagen durch dieses in den Betrug verstrickte Management und die Hauptaktionäre als Profiteure des Betruges. Klagen und Ermittlungsverfahren gegen Volkswagen laufen in vielen Ländern, u.a. in der Schweiz, in Südkorea, in den USA, Kanada und Großbritannien, in Frankreich, Italien, Spanien, Belgien und durch die Europäische Union.
Gewichtig sind die finanziellen Belastungen, die sich inzwischen auf über 25 Milliarden Euro belaufen. Wenn es nicht gelingt, Winterkorn und andere Manager dafür auch finanziell zur Verantwortung zu ziehen, wenn es nicht gelingt, die Betrusgdividende bei den Großaktionären des Porsche-Piëch-Clans und den Scheichs von Katar zu konfiszieren, werden die Beschäftigten und die Öffentlichkeit für diese gigantische Summe aufkommen müssen.

Noch dramatischer sind die Absatzzahlen – auch wenn der Konzern Rekorde verkündet und der 1. Platz auf dem Treppchen der Weltautomobilindustrie erklommen sein soll.
Der Konzern verkaufte weltweit 400.000 Autos mehr als im Vorjahr, allein in China jedoch verkaufte der Konzern 430.000 Fahrzeuge mehr als im Jahr 2015. In Deutschland gab es einen leichten Rückgang von 0,2 Prozent oder 3.000 Fahrzeugen – und dieses, obwohl der überwiegende Teil der Fahrzeuge inzwischen Geschäftswagen sind, es sehr viele Eigen- und Händlerzulassungen gab und teure Rabattaktionen durchgeführt wurden. In den USA sank der Absatz um 2,6 Prozent und in Südamerika um fast 25 Prozent. In China stieg der Absatz um 12,2 Prozent.
Noch schlimmer sieht es bei der Marke Volkswagen aus, das Verkaufsplus von 2,8 Prozent setzt sich zusammen aus minus 7,2 Prozent in Deutschland, minus 0,9 Prozent in Europa, minus 7,6 Prozent in den USA, minus 35 Prozent in Brasilien und plus 14 Prozent in China. Es wurden weltweit 150.000 Fahrzeuge mit dem VW-Logo mehr verkauft, allein in China jedoch 370.000 Autos mehr als im Vorjahr.

Man kann das feiern, man kann aber auch zu dem Schluss kommen, das sich eine höchst gefährliche Abhängigkeit von einem Markt ergeben hat, die durch neue Produktionsstätten in Kenia, Ruanda und Nigeria nicht ansatzweise aufgefangen werden kann.
Man kann auch zu dem Schluss kommen, dass ein Festhalten an der überkommenen Produktion von Autos – und seien es Elektroautos, die autonom fahren – in die Sackgasse führt. Nötige wäre ein Neustart, der die Transportbedürfnisse in urbanen Zentren wie in infrastrukturarmen Regionen in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt, der die Endlichkeit der Ressourcen berücksichtig, der die Belastung des Klimas minimiert. Solange private Eigentümer, in diesem Falle der Porsche-Piëch-Clan und die Scheichs von Katar, auf maximale Profite orientieren, ist ein solcher Neustart nicht zu erwarten. Solange das alte, in den Betrug verstrickte Management am Ruder bleibt, ist ein solcher Neustart nicht zu erwarten.
Bevor der Point of no return für Volkswagen ereicht ist, sollten die niedersächsische Landesregierung als weiterer Großaktionär und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mit ihrer Mehrheit von 12 Stimmen die Notbremse ziehen und diesen Neustart durchsetzen – gepaart mit einem neuen Konzept von Wirtschaftsdemokratie unter Einbeziehung der Beschäftigten, der Kommunen und Regionen als Mobilitätsnachfrager, der Umweltbehörden und weiterer gesellschaftlicher Gruppen. Die politischen, ökonomischen und die technisch-kommunikativen Voraussetzungen für einen solchen Neustart sind jetzt gegeben und müssen ergriffen werden.
Diesem Management ist die Betriebserlaubnis zu entziehen, den Hauptaktionären ist die Verfügungsgewalt über das Unternehmen zu entziehen! Nur so kann es den dringend nötigen Neustart geben.

Fracksausen bei VW – Wer zieht die Notbremse?

#dieselgate Fracksausen in der VW-Konzernzentrale – wer zieht die Notbremse?
Nach der Verhaftung von Oliver Schmidt in Florida wird es für das gesamte Management von Volkswagen sehr eng. Aus den USA wird berichtet, dass Schmidt als zuständiger Abteilungsleiter das VW-Topmanagement über die „Existenz, den Zweck und die Charakteristika“ der Schummelsoftware im Juli 2015 informiert hat. Schmidt soll dem Management versichert haben, dass die US-Behörden von der illegalen Abschalteinrichtung nichts wussten … und das FBI belegt die Anklage mit mehreren internen Schriftwechseln.
Winterkorn, Poetsch (Aufsichtsratsvorsitzender), Müller (Konzern-Vorstandsvorsitzender) und Diess (Vorstandsvorsitzender Marke Volkswagen) sind im Visier der US-Ermittler, Diess hat bereits einen hochkarätigen Rechtsbeistand für sich verpflichtet: Der Strafrechtsprofessor Tido Park verteidigte schon den Münchner Verwalter des NS-Kunstraubes Cornelius Gurlitt.
Gewichtig sind die Belastungen für Volkswagen durch dieses in den Betrug verstrickte Management und die Hauptaktionäre als Profiteure des Betruges. Klagen gegen Volkswagen in vielen Ländern, u.a. in der Schweiz, in Südkorea, in den USA, Kanada und Großbritannien, weitere Ermittlungsverfahren laufen in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien und durch die Europäische Union.
Gewichtig sind die finanziellen Belastungen, die sich inzwischen auf über 25 Milliarden Euro belaufen. Wenn es nicht gelingt, Winterkorn und andere dafür auch finanziell zur Verantwortung zu ziehen, wenn es nicht gelingt, die Betrusgdividende bei den Großaktionären des Porsche-Piëch-Clans und den Scheichs von Katar zu konfiszieren, werden die Beschäftigten und die Kassen der Kommunen, des Landes und des Bundes für diese gigantische Summe aufkommen müssen.
Bevor der Point of no return für Volkswagen ereicht ist, sollten die Landesregierung und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mit ihrer Mehrheit von 12 Stimmen die Notbremse ziehen. Diesem Management ist die Betriebserlaubnis zu entziehen, den Hauptaktionären ist die Verfügungsgewalt über das Unternehmen zu entziehen! Nur so kann es den dringend nötigen #Neustart geben.

Betriebsratsvorsitzender Fritsch (DKP) aus Brauschweig zum Abgasbetrug: Schuld ist kein Thema

#dieselgate Chronistenpflicht
Bei einer Veranstaltung in Hannover am 18.1.2017 hat der Betriebsratsvorsitzende von VW-Braunschweig Uwe Fritsch zum „Abgasskandal und den Auswirkungen auf die Belegschaft“ ca. 15 Minuten gesprochen. Uwe Fritsch ist Mitglied im Aufsichtsrat von Volkswagen sowie Mitglied im Parteivorstand der DKP. Den Widerspruch zwischen der Schweigepflicht nach § 116 Aktiengesetz einerseits und dem Anspruch der Arbeitnehmer auf Information und Mitbestimmung andererseits hat er bei diesem Vortrag nicht aufgelöst, sondern bereits mit seiner Eingangsbemerkung überheblich gepflegt. Es ginge um wichtigeres als nur „wer hat was gewusst“, stellte er gewichtig fest. Die Kosten „Aufgrund der Vergleichverfahren in den USA“, nicht etwa wegen des millionenfachen Betruges, seien „ein Schritt zur Aufklärung“. Aber es sei, eine betonende Wiederholung, „nicht über Schuld und Sühne zu sprechen“.
Dann die Auto-Lobby-Keule: Jeder dritte Arbeitsplatz in Niedersachsen hänge von VW ab und es käme darauf an, die wirtschaftliche Basis des Landes zu erhalten. Es folgt die Umweltkeule: Die Dosenherstellung in Braunschweig sei niedergegangen, weil „die Alu-Dose aus Umweltgründen in Verruf gebracht wurde“. Tatsächlich werden durch tausende Beschäftigten – nach vielen Fusionen durch Ball Packing Europe – noch Millionen Getränke-Dosen produziert.
Der VW-Vorstand, so Fritsch, habe erkannt, worum es geht: mit autonomem fahren den Anschluss an die Zukunft nicht zu verlieren, dem diene das VW-Programm „together 2025“.
Die Anwesenden bat er um Solidarität. Bei Volkswagen würde die Arbeit solidarisch verteilt – und es kam ihm kein Wort zu den Leiharbeitern über die Lippen, schließlich gelte bei VW seit über 30 Jahren ein Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen.
Ein wohlfeiles Plädoyer für Arbeitszeitverkürzung und anschließend die Erklärung, weshalb bei VW die Arbeitszeit verlängert werden musste: Um gleiche Konkurrenzbedingungen zu erreichen, müsse die Arbeitszeit in Europa sinken. Fritsch übersah geflissentlich, dass Deutschland inzwischen nicht nur Billiglohnland ist, sondern mit tatsächlichen Arbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten von 42 Stunden pro Woche über dem EU-Schnitt liegt.

Kein Wort von Fritsch zur Verantwortung des Managements am millionenfachen Betrug, an der Vergiftung der Menschen, kein Wort zur zu den Profiteuren des Betruges, zur Verantwortung des Porsche-Piëch-Clans, kein Wort zur Verantwortung des Ferdinand Piëch, der über mehr als ein Jahrzehnt autoritärer Vorstandschef und Aufsichtsratsboss war. Kein Wort zum Verkehrskollaps, zu den Endlichkeiten der Ressourcen, zur Verantwortung der Klimaentwicklung. Mobilität wird von diesem Betriebsratsvorsitzendem, Aufsichtsratsmitglied und DKP-Parteivorstandsmitglied ausschließlich mit dem Automobil und seiner profitorientierten Herstellung in Verbindung gebracht. Die Bedürfnisse der Menschen in den urbanen Zentren, in den Megacities und in den infrastrukturarmen Regionen dieser Welt spielen dabei keine Rolle.

Es bleibt Aufgabe linker Gewerkschaftspolitik, eine grundsätzlich andere Sicht auf diesen Skandal und auf die Zukunft der Automobilindustrie zu werfen. Es bleibt Aufgabe linker Gewerkschaftspolitik, die Klassenfrage, den antagonistischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit zu benennen. „Es ist ein großes Problem, dass viele in den Gewerkschaften die Klassenfrage nicht mehr begreifen,“ sagte Hans-Jürgen Urban im Gespräch mit Sahra Wagenknecht. So einen kritischen Blick auf sich selbst braucht dringend auch Die Linke.

https://www.facebook.com/betriebundgewerkschaft.niedersachsen/videos/1234004219969691/

#dieselgate VW treibt Häuserkampf voran – eine Belegschaft wird gegen die andere Belegschaft in Stellung gebracht.

Der Markenvorstand von VW, Herbert Diess, verkündet, wozu der so genannte Zukunftspakt gedacht ist: „Die Operative Umsatzrendite soll von zuletzt zwei Prozent 2015 auf vier Prozent bis 2020 verdoppelt werden. Bis 2025 soll sie weiter auf sechs Prozent steigen. Nach 2025 wird eine weitere Verbesserung über diese Marke hinaus angestrebt. Ein wesentlicher Schritt hin zu einer zukunftssichernden Rentabilität ist der am 18. November vorgestellte ‚Zukunftspakt‘. Konkret soll er bis zum Jahr 2020 zu einem positiven Ergebniseffekt in Höhe von 3,7 Mrd. Euro jährlich führen; davon entfallen 3,0 Mrd. Euro auf die deutschen Standorte.“
Dafür werden bestehende 30 000 Arbeitsplätze vernichtet, Leiharbeiter verlieren ihre Jobs und in einzelnen Bereichen kann die Arbeitszeit auf 40 Stunden steigen. So sollen die Beschäftigten die Produktivität bis 2020 um 25 Prozent steigern. Die Beschäftigten, ihre Betriebsräte und Gewerkschaft haben die Erpressung geschluckt, weil der Markenvorstand vertraglich vereinbart hat, „Zukunftsautos“ (E-Mobilität) in Deutschland zu bauen. Durch Wertschöpfung wie z. B. einem Batteriewerk, „anderen Zukunftsbereichen wie Digitalisierung, autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleistungen entsteht auf Druck des Betriebsrates zusätzliche Beschäftigung.“ Insgesamt seien es „9000 neue zukunftsträchtige Arbeitsplätze“. Es werde eine Qualifizierungsoffensive geben, kein deutscher Standort werde geschlossen und betriebsbedingte Kündigungen der Stammbelegschaft seien bis 2025 ausgeschlossen. Die Arbeitsplatzvernichtung wird „sozialverträglich“ über Altersteilzeit organisiert.
Damit lassen sich die Beschäftigten der Marke VW in einen Häuserkampf um ihre Arbeitsplätze treiben, bei dem die KollegInnen anderer Konzerne zu Gegnern und das Kapital sich als scheinbarer Bündnispartner anbietet. Aber die Konzernherren, denen die Beschäftigten in den ersten neun Monaten des Jahres ein operatives Ergebnis von 8,7 Mrd. Euro erarbeiteten, sind keine Verbündeten sondern Klassengegner, die sich an der Ausbeutung der Beschäftigten bereichern.
Die Schlüsselbranche Automobil steht vor strukturellen und technologischen Umbrüchen, bei denen die Kapitaleigner des größten Automobilherstellers Europas die Nase vorn haben wollen. Bei der Elektromobilität wollen sie bis 2025 Weltmarktführer werden, eine Million Elektroautos verkaufen und bis 2030 auch insgesamt wieder der größte Autohersteller weltweit werden. Nachdem der Schwindel mit den Abgasmanipulationen aufgeflogen ist, Umrüstung, Ersatz und Milliarden Euro Strafzahlungen fällig werden, versuchen sich die Konzernherren, an den Beschäftigten schadlos zu halten und notwendiges Geld dafür und für den Umbau auf dem Rücken und aus den Taschen der Beschäftigten zu erzwingen. Weder die Millionen Euro für die Boni-Zahlungen der Vorstände, noch die 60 Mrd. Euro, die in der jüngeren Vergangenheit an die Aktionäre ausgezahlt wurden, noch die Milliarden der Anteilseigner, darunter die Familie Piech/Porsche, mit 35,4 Mrd. Euro Stiftungsvermögen, die reichste Familie Österreichs, werden angetastet.
Solange die VW-Stamm-Beschäftigten dem Kapital bei dessen Konkurrenzkampf um weltweite Absatzmärkte, billige Produktionskosten und dem strukturellen und technologischen Umbau des Konzerns nützlich sind, solange werden sie als scheinbar gleichberechtigte Bündnispartner behandelt. Werden sie für die Mehrwertschöpfung nicht mehr gebraucht, ja sind sie weiterem Profit hinderlich, werden sie ihre Arbeitsplätze und ihr Einkommen ebenso verlieren, wie andere Beschäftigte auch, die glaubten, auf Augenhöhe mit dem Kapital verhandeln zu können. Zu Recht schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ als Kommentar zum Zukunftspakt „Neun Jahre ohne Angst – und dann?“
Der Kampf um Absatzmärkte innerhalb der weltweiten Automobilindustrie ist gnadenlos.
Die Überproduktion grinst uns nicht nur im Hafen von Koper entgegen, wo kilometerlang Autos auf ihre Verschiffung in andere Kontinente warten, sondern auch auf den Megaparkplätzen der Händler und Hersteller. Gigantische Rabattschlachten, beträchtliche Eigenzulassungen von Herstellern und Händlern und die aus Steuergeld bezahlten Abwrackprämien sind weitere Indizien der Überproduktionskrise. Zehntausende Arbeitsplätze wurden vernichtet, die Produktivität immer höher getrieben. Die enormen Mengen gebundenen Kapitals der hochtechnologisierten Auto-Betriebe schreien nach immer höherer Auslastung. Diese kann jedoch nicht mehr auf dem Markt realisiert werden.
Dabei geht es gesellschaftspolitisch nicht nur um die Weichenstellung wofür Geld investiert wird, sondern vor allem um die Beschäftigung.
Fragwürdige E-Autos
Die Angst um die Arbeitsplätze scheint die VW-Beschäftigten vergessen zu lassen, dass wir in einer Klassengesellschaft leben. Statt mit den KollegInnen der anderen Autokonzerne, anderer ­Industrien (z. B. Bahnproduktion) und Dienstleistungen einen Kampf um drastische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gegen die Macht der Konzernherren zu organisieren, machen sie sich objektiv zu Gegnern ihrer KollegInnen anderer Autokonzerne, um die Arbeitsplätze in „ihrem“ Konzern zu retten. Das noch halbwegs laufende Geschäftsmodell Auto hat aber mittel- bis langfristig ausgedient.
Eine langfristige Beschäftigungssicherung muss berücksichtigen, dass die Produktion von Autos nicht unendlich ausgeweitet werden kann. In den entwickelten Industrieländern wird die Automobildichte schon bald objektive Grenzen erreichen und zu Verkehrsinfarkten führen, wo in dem vorhandenen Straßennetz der Verkehr nicht mehr fließen kann. Und jeder weiß, dass das Klima kollabiert, wenn Länder wie China oder Indien ein dem Westen vergleichbares Niveau der Automobilisierung erreichten.
E-Autos verhindern am Ort ihres Einsatzes CO2-Emissionen. An den Orten ihrer Herstellung und der Förderung notwendiger Ressourcen ist der CO2 -Ausstoß enorm. Fritz Indra, bekannter Motorenentwickler, erläutert in der VDI-Zeitschrift, seriöse Berechnungen belegten eindeutig, dass das Elektroauto in Deutschland eine 1,6-mal so schlechte CO2-Bilanz hat wie ein vergleichbares Fahrzeug mit modernem Verbrennungsmotor.
Auch in Zukunft werde ein Großteil des Stroms aus kalorischen Kraftwerken mit hohem CO2-Ausstoß kommen. „Dann entsteht das CO2 eben nicht im Auto, sondern im Kraftwerk. Das Elektroauto leistet somit keinen Beitrag zum Umweltschutz.“
Auch der IG Metall-Bevollmächtige von Salzgitter-Peine, Wolfgang Räschke erläutert: „Zumal die CO2-Bilanz von E-Fahrzeugen derzeit immer noch schlechter ist als die von Autos mit Dieselmotor. Es stimmt einfach nicht, dass E-Mobilität automatisch sauber ist.“
Wir brauchen eine neue gesellschaftlich kontrollierte sozial/ökologische Mobilitäts- und Beschäftigungspolitik, wollen wir unseren Planeten nicht umbringen. Gesellschaftliche Beteiligung am Eigentum mit erweiterter Mitbestimmung, Mitentscheidung und demokratische Kontrolle durch Beschäftigte, Gewerkschaften, Umweltverbände und Menschen der Region sind zu erkämpfen. Regionale Räte entwickeln und entscheiden in einem ersten Schritt gemeinsam über konkrete Wege zur Konversion eines Automobilkonzerns z. B. in einen ökologisch orientierten Dienstleister für öffentliche Mobilität. Gefragt sind integrierte Mobilitätskonzepte, in denen die Gewichtung zwischen öffentlichem und privatem Verkehr verschoben und Bahn, Straßenbahnen, Bussen, Fußgängern und Fahrrädern Vorrang vor dem Autoverkehr eingeräumt wird. Das muss nicht zu steigender Arbeitslosigkeit führen. Die weitere Vernichtung der Umwelt muss gestoppt, vorhandene Schäden repariert werden. Erneuerbare Energie muss sowohl die Verbrennung fossiler Rohstoffe als auch die Atomenergie ersetzen. Die hochqualifizierten Beschäftigten von Autokonzernen wie z. B. VW könnten im Zusammenwirken mit Beschäftigten anderer Hightech-Betriebe entscheidende Beiträge in Forschung, Entwicklung und Produktion leisten. Die Deutsche Automobilindustrie investiert rund 39 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Sie für sinnvolle sozial nützliche und ökologische Produktkonversion nutzbar zu machen, wäre eine langfristig beschäftigungsichernde Strategie der Beschäftigten und ihrer Verbündeten. Ohne die Machtfrage zu stellen, wird die Umstellung im öffentlichen Interesse nicht möglich sein.
Ansonsten bleibt die Befürchtung, die Braut VW soll auf Kosten der Beschäftigten „schön“ gemacht werden. Das „schwarze Schaf“ der Konzern-Dynastie, Ernst Piëch, Bruder von Ex-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, formuliert das etwas anders. Er sieht „den Industriegiganten gar als Übernahmeziel für Investoren aus China.“ Im „Manager Magazin“ wird er mit der aus seinem Mund sonderbar klingenden Selbstverständlichkeit zitiert: „Die haben ihre Milliarden schon zusammen, um den Konzern zu kaufen“. (Anne Rieger, UZ) http://www.unsere-zeit.de/de/4901/wirtschaft_soziales/4416/H%C3%A4userkampf%20%E2%80%93-Seit%E2%80%99-an-Seit%E2%80%99-mit-dem-Kapital.htm

VW vor dem Abgrund

Vor 16 Monaten wurde der millionenfache Abgasbetrug durch Volkswagen durch die US-Umweltbehörde öffentlich gemacht. Elf Millionen Fahrzeuge erfüllen nur auf dem Prüfstand die Abgasnormen, im Normalbetrieb blasen sie ein Vielfaches des Giftes in unsere Umwelt. Die Gesundheit der Menschen wird dadurch schwer geschädigt. Zugleich wurden und werden die Steuerbehörden um erhebliche Einnahmen betrogen, weil die Berechnung der Abgaben auf Basis der gefälschten Werte erfolgte.
Im August 2015 vergoss der damalige VW-Vorstandschef Martin Winterkorn Krokodilstränen und kündigte schnelle und »rückhaltlose« Aufklärung an. Nachfolger Matthias Müller bat um Verzeihung, nicht nur in den USA. Er kündigte schnelle technische Lösungen an. Man ermittle »auf Hochtouren«, sagte ein VW-Sprecher im September 2015.
Mehr als ein Jahr später gibt es weder Aufklärung noch technische Lösungen. Der Bericht einer internen Prüfung wird auf unbestimmte Zeit zurückgehalten – weil »mit einer Veröffentlichung zum gegenwärtigen Zeitpunkt unvertretbare Risiken für Volkswagen verbunden wären«, wie der Konzern am 22. April nach einer Aufsichtsratssitzung mitteilte. Man ahnt, was drinstehen könnte. Auf der Aktionärsversammlung im Juni dieses Jahres sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch, früher Finanzvorstand des Konzerns und nahezu zeitgleich mit seiner Kür zum Chef des Kontrollgremiums Ende 2015 auch zum Vorstandsvorsitzenden der Porsche Automobilholding berufen, die Veröffentlichung dürfe »die Aufklärung nicht behindern«.
Gegen die Konzernspitze um Pötsch, Müller, Herbert Diess und 20 weitere Manager laufen inzwischen Ermittlungsverfahren der Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Die US-Behörden sprechen wegen verschwundener E- Mails, verlorener Smartphones, gelöschter Dateien und vernichteter Akten von »Verschwörung« bei Volkswagen.
In Berlin beschäftigt sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit der Rolle der Bundesregierung, des Verkehrsministers und nachgeordneter Behörden wie dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) sowie der Umweltminister der Länder bei dem gigantischen Betrug. Von zuviel Einfluss der Autolobby will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) jedoch nichts wissen. Vor dem Bundestagsausschuss behauptete er am 15. Dezember: »Dass das größte Unternehmen der Welt mit krimineller Energie vorgeht, hätte ich nicht für möglich gehalten.« Von den illegalen Praktiken habe er erst aus der Presse erfahren. Begriffe wie »Abschalteinrichtungen« zur Deaktivierung des Emissionskontrollsystems habe er vor dem Skandal auch in Gesprächen mit Experten nie gehört.
Dabei geht die Schere bezüglich tatsächlichem Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen und den Angaben in den Verkaufsprospekten seit vielen Jahren immer weiter auseinander, Umweltverbände kritisierten dies lange vor den Sanktionen der US-Behörden. Gabriel hatte diese Kritik jedoch als »nicht belastbar« eingestuft.
Inzwischen ist auch die EU-Kommission der Ansicht, dass die deutschen Behörden offensichtliche Verstöße der Automobilindustrie gegen Gesetze und Verordnungen dulden und geduldet haben. Die Bundesrepublik habe die Fahrzeughersteller entgegen nationalem Recht nicht mit Strafen belegt und halte technische Daten zurück, begründete die Behörde am 8. Dezember die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Zudem bemängelte Brüssel, dass VW für die Manipulation von Schadstoffwerten bei Dieselautos bis heute in der Bundesrepublik nicht bestraft wurde.
Recherchen von Journalisten belegten zudem, dass die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) installierte und mit Mitarbeitern seines Hauses und des KBA besetzte Volkswagen-Untersuchungskommis­sion keineswegs unabhängig war. Deren Bericht wurde mit der Autoindustrie besprochen und um wesentliche Passagen reduziert, wie unter anderem Spiegel online im November berichtete.
Der Betrug kommt die Beschäftigten bei Volkswagen teuer zu stehen: Auf Verkaufsstopps in vielen Ländern und sinkenden Absatz wurde mit Personalabbau und Kurzarbeit reagiert. Strafzahlungen sowie die Kosten für Rückruf­aktionen und Nachrüstung summieren sich inzwischen auf mehr als 20 Milliarden Euro. Selbst für einen Weltkonzern wie Volkswagen ist das eine schmerzvolle Summe, die für Forschung und Entwicklung nicht zur Verfügung steht. Das Management setzt derweil weiter auf Wachstum und Marktanteilsgewinne. Wenn diese waghalsige Strategie nicht aufgeht, ist der Schritt in den Abgrund getan. Die Umsetzung von Programmen zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen, zur Digitalisierung und zu »Mobilitätspartnerschaften« mit den Städten Hamburg, Dresden und Wolfsburg werden erst in ein paar Jahren wirksam. In der Zwischenzeit werden die Zulassungsstatistiken durch Eigenzulassungen, Händlerzulassungen und teure Rabattaktionen geschönt.
Kein Thema sind für das Management etwa der Verkauf der Rüstungssparte von MAN oder der Fabriken von Lamborghini und Bugatti. Zugleich streichen die Haupteigentümer weiter fette Dividenden ein: Der Porsche-Piëch-Clan und die Scheichs des Terrorstaates Katar kassieren weiter Milliarden, wovon ein Teil dem millionenfachen Betrug entspringt.
Für 2016 hatte die Porsche SE eine Dividendenzahlung aus ihrer Beteiligung an VW geplant, das ist in deren Geschäftsbericht für 2015 nachzulesen. Wie jeder Hehler müsste Porsche gezwungen werden, diese Betrugsdividende zurückzuzahlen, Artikel 14/15 des Grundgesetzes böte die Möglichkeit zu solchen Maßnahmen.
Der VW-Vorstand weigert sich unterdessen auch nach der Ankündigung vom 18. November, weltweit bis zu 30.000 Stellen, davon 23.000 allein in Deutschland, abzubauen, auch nur einen Teil seiner Millionenboni zurückzuzahlen. Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn war 2014 mit fast 16 Millionen Euro Topverdiener unter den Vorständen der Dax-Konzerne gewesen, nur ein Zehntel davon war sein Fixgehalt. Bislang hat das Management lediglich das Zugeständnis gemacht, dass 30 Prozent der Sonderzahlungen in Wertpapiere umgewandelt werden. Nach drei Jahren soll geprüft werden, wie sich der Aktien­kurs entwickelt hat. Liegt er auch nur um ein Viertel über dem Krisenniveau, sollen die Boni ausgezahlt werden.
VW vor dem Abgrund
VW vor dem Abgrund