Schlitzohren und Halunken: Klein Ferdinand und der Nazi-Opa

Sie nennen sich Manager, und genauso sehn sie auch aus: Bänker, Bängster und Bonus-Banditen, die für Renditen unter 50 Prozent gar nicht erst aufstehen und sich jedes ihrer Finanzverbrechen vom Steuerzahler fürstlich honorieren lassen. Die Glaubwürdigkeitsbarone der politischen Klasse wiederum reden, wenn der Tag lang ist, soviel Blech, dass sie aus metallurgischen Gründen jederzeit bei der IG Metall willkommen sein müssten. Aber nicht mehr lange. Hiermit legen wir sie vor, die ultimative, erbarmungslos recherchierte Enzyklopädie der Besten mit den weißen Westen. Endlich kommt Licht ins Dunkel. Deutsche Täter, Leugnen ist zwecklos. Händy hoch! In dieser Enzyklopädie, Herausgegeben von Peter Sodann, ein Beitrag von mir zu Opa Ferdinand Porsche und Enkel Ferdinand Piëch: Klein Ferdinand und der Nazi-Opa.

Nach einer Buchlesung in Hannover in der Galerie Calenberg im August 2010 (von rechts nach links Stephan Krull, Peter Sodann, Thorsten Stelzner)

In Wolfsburg ist die Welt im Sommer des Krisenjahres 2009 in Ordnung. Die Fußballabteilung von Volkswagen wird spektakulär „Deutscher Meister“. Die Stadt steht Kopf, alle haben Anteil an der Meisterschale, gemeinsam feiern fleißige Arbeiter und rührige Manager, umtriebige Betriebsräte und  steinreiche Vorstände. Fast alle Beschäftigten des ehemaligen „Kraft-durch-Freude“-Betriebes bekommen eine Sonderzahlung von 4000 €. Krise? Was für `ne Krise? Überstunden in der Woche und Wochenendschichten. Die Kasse stimmt. 3000 Leute werden eingestellt, wenn auch nur befristet für die Ferienzeit. O.k., Leiharbeiter wurden entlassen, Zulieferfirmen gingen Pleite. Aber das trifft nicht uns! Uns nicht! Hör mir bloß auf mit Krise! Vielleicht in Detroit oder Rüsselsheim. Tja, so ist das, wenn man nicht auf die eigene Kraft bauen kann! Widersprüche in Wolfsburg? Dafür wurde das Werk nicht gebaut. Im Gegenteil. Der Klassenkampf wurde musterbetrieblich weggefegt. Dafür sorgte der Nazi-Opa von Klein-Ferdinand. Der hieß auch Ferdinand, allerdings Porsche und nicht Piëch. Der war, so erinnert man sich in Wolfsburg gerne, vor allem ein „genialer Techniker“, der „Vater des Käfers, des Werkes und der Stadt“. Und Ferdinand Junior erinnert sich so: „Den Großvater als Person konnte ich nie als dominant empfinden, ich war ein Kind, und er war ein netter alter Herr, oft müde. Und als ich die eminente Rolle des Konstrukteurs begriff, hat mir die ganze Geschichte bloß imponiert und mich nicht eine Sekunde lang belastet, warum auch?“ Dann präsentiert sich Ferdinand der Jüngere als gelehriger Schüler von Opa Ferdinand dem Wehrwirtschaftsführer: „Die Vorstellung einer höchstkarätigen inneren Mannschaft von fünf bis zehn Leuten, deren Zusammenspiel wiederum nur ein Einzelner im Detail lenkt, hat mich ein Leben lang nicht losgelassen. Es ist für mich das wichtigste Rezept geblieben, wie man tatsächlich Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb erzielen kann.“[1]

Nicht gern erinnert sich die 71 Jahre alte ehemalige „Kraft-durch-Freude-Stadt“ der „dark side“ desjenigen, der mit Herkuleskraft den größten und erfolgreichsten Automobilkonzern der Welt schaffte. Oder waren doch noch andere Menschen beteiligt?

Da waren zunächst Adolf Hitler und die Nazi-Größen, von denen Ferdinand der Porsche den Auftrag für den Bau von Musterbetrieb und -stadt gerne annahm. Dann war da die DAF (Nazi-Betriebsgemeinschaftsorganisation) deren Reichstrunkenbold Robert Ley das von den Gewerkschaften geraubte Vermögen für den Bau von Auto, Fabrik und Stadt bedenkenlos großzügig zur Verfügung stellte. Und dann waren da zehntausende Zwangsarbeiter aus allen von den Nazis besetzten und ausgeraubten Ländern, überwiegend jedoch aus Polen und den Ländern der Sowjetunion. Bedenkenlos nahm der „geniale Techniker“ alles entgegen – KZ-Sklaven allerdings musste er persönlich erst anfordern! Genfer Konvention? Also bitte, damit muss doch ein so geniales Hirn wie Porsche nicht seine Ressourcen verplempern! Vor allem waren die Zwangsarbeiter jung und kräftig, auch Frauen, die in Warschau, Kiew oder Paris von der Straße weg „ins Reich“ verschleppt wurden. Waren einige Frauen vorher schwanger oder wurden sie in Wolfsburg schwanger? Um ihren Arbeitseinsatz in der Rüstungsproduktion nicht zu gefährden – Autos wurden nicht gebaut, aber Minen, Flugzeugteile, Raketen, alles von Porsche entwickelt und zur Sicherung des Werkes „an Land gezogen“, zum Dank wurde Porsche Wehrwirtschaftsführer, Vorsitzender der Panzerkommission und hoher SS-Offizier – also den Frauen wurden ihre Kinder weggenommen. Unter „ärztlicher Aufsicht“ verhungerten dann hunderte Kinder; alle! Einer der wenigen, der nach der Befreiung vom Faschismus dafür bestraft wurden: der hingerichtete „leitende Werksarzt“ Dr. Hans Körbel.

1945 war – wie überall in Deutschland – die Stunde Null; nichts war vorher, keiner hat gar nix gewusst, unbelastet ging es fröhlich schaffend in die Zukunft. Ferdinand der Porsche hatte sich in sein geliebtes Österreich abgesetzt, nicht ohne vorher Lizenz- und Vertriebsverträge mit seinem Volkswagenwerk abzuschließen. Enkel Ferdinand erinnert sich wieder: „Als Enkel und Sohn“ – er bezieht jetzt seinen Vater Anton Piëch, den Schwiegersohn und die rechte Hand von Ferdinand Porsche ein – „nehme ich für mich in Anspruch, über meinen Großvater und meinen Vater nicht strenger zu urteilen, als die Untersuchungskommission der Alliierten in den Jahren nach Kriegsende.“ Ferdinand der Jüngere jammert noch ein bisschen über die Behandlung seines Opas durch die Briten und frohlockt, dass „die Franzosen“ ihn nicht mal angeklagt hätten. Gute Beziehungen haben auch damals schon denjenigen nicht geschadet, die sie hatten! Ferdi ist sich nicht zu schade, Israel als Kronzeugen für Unschuld zu benutzen, indem er in direktem Zusammenhang schreibt: „Wir … unterhalten die größte Gemeinschaftsunternehmung mit Israel und haben auch – lange vor der Effektivität einer Gemeinschaftsverpflichtung der deutschen Wirtschaft – direkte Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter geleistet.“ dass dieses 50 Jahre nach dem Verbrechen und auf Druck von beschäftigten und internationaler Öffentlichkeit geschah: Schwamm drüber. Inzwischen wurden Ferdinand Piëch und die anderen Clanmitglieder durch Lizenzgebühren und Vertriebsrechte vielfache Milliardäre – weil, wie der „General“ Heinrich Nordhoff, der als Wehrwirtschaftführer aus der GM-Fabrik in Brandenburg vor der Roten Armee türmte und von den Amerikanern Berufsverbot erhielt, öffentlich erklärte, „der Käfer jetzt die Welt eroberte“.

1993 wurde Ferdinand der Piëch Vorstandsvorsitzender der VW AG; fast 50 Jahre, nachdem sein Großvater die Wolfsburg fluchtartig verlassen hatte. Wie immer gab es Alternativen, aber weder die Gewerkschaft noch das Land Niedersachsen wollten es mit dem bunten Vogel Daniel Goedevert als Lenker von Volkswagen versuchen; zwar wie Piëch Ausländer, aber frankophon und viel zu experimentierfreudig. Seitdem weht alter neuer Geist in Wolfsburg – die Familie mit Tradition kultivieret Wolfsburg (wie andere „Familien“ in „ihren“ jeweiligen Territorien): 30-Stunden-Woche, Auto-5000, Autostadt, Kunstmuseum, Stadion, Mobile-Life-Campus, Auto-Uni etc.pp – aber auch Hartz, Volkert und der GAU für die gewerkschaftliche und betriebliche Interessenvertretung, Produktivitätserhöhung, Personalkostensenkung und wieder Arbeitszeitverlängerung. Vergessen und vorüber! Jetzt geht es um’s Ganze: schluckt Porsche Volkswagen oder wird es umgekehrt? Frisst die Mutter die Töchter oder wird es umgekehrt? Jedenfalls: Back to the roots! Und damit gar nix schief gehen kann, lädt der Pastor der katholischen Wolfsburger St.-Chrisopherus-Kirche zur Segnung von Auto und Fabrik ein (Sommer 2009!). Ach ja … und die neuen alten Nazis planen in Wolfsburgs leer geräumtem Möbelhaus die Einrichtung eines KdF-Museums (Sommer 2009!). Nichts in diesem Aufsatz ist erfunden – aber letzteres – das KdF-Museum der neuen Nazis – wird wohl nicht etabliert werden, stört es doch den „guten Ruf“ der Stadt. Ob diese sich ihrerseits dazu durchringen kann, 71 Jahre nach ihrer Gründung würdig der Opfer zu gedenken, die Täter aus dem Stadtbild zu verdrängen und eine angemessene Antwort auf die Nazi-Provokation zu finden, scheint zweifelhaft: Müssten doch die Porsche-Straße, die Porsche-Schule und das Porsche-Bad umbenannt werden. Und mit Enkel Ferdinand legt sich in Wolfsburg und Zuffenhausen niemand ohne Not an! Es ist wie beim Opa: Einer lenkt – geniale Techniker von Macht und Geld!

[1] F. Piëch; Auto. Biographie; Pieper München Zürich 2004, S.26/27

Aus: http://www.eulenspiegel.com/verlage/eulenspiegel-verlag/titel/schlitzohren-und-halunken-von-ackermann-bis-zumwinkel.html, präsentiert von Peter Sodann

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