Erfahrungen internationaler gewerkschaftlicher Solidaritätsarbeit am Beispiel InterSoli der IG Metall in Wolfsburg

Vortragsmanuskript, IG Metall  Magdeburg, 1.10.2015

Globalisierung – seit Menschengedenken
technischer Fortschritt (Transport vor allem, >Schiffe, Flugzeuge), Kommunikation, Post, Thurn&Taxis

Kolonialismus > Welthandel, Sklavenhandel

politische Entscheidungen, nationale Regierungen, supranationale Organisationen (UNO, EU, ILO-Kernarbeitsnormen, WTO, ), > Kriege, Freihandel, Rohstoffsicherung

Freihandel >Kapital und Waren / nicht Menschen!

Zwang zu globalen Entscheidungen (Glabalisierung der Umwelt): Klima, Hunger, Ressourcen

Direktinvestitionen, Transnationale Konzerne > Standortettbewerbe,
globale Finanzmärkte

Demografische Entwicklung / BrainDrain (Europa, Asien, Afrika)

Globalisierung der Kultur > Bewirkt auch das Gegenteil! McDoof, Filme, Bücher …

Vorteile? Nachteile?
Marx: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch (bezogen auf Gewerkschaft und Partei)

IG Metall Satzung: Die IG Metall hat die Aufgabe, die wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen der Mitglieder zu fördern. Ihre Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen, Verwaltungen, Unternehmern, Konfessionen und politischen Parteien hat sie jederzeit zu wahren. Sie bekennt sich zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und setzt sich für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates und die weitere Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung und den Schutz der natürlichen Umwelt zur Sicherung der Existenz der Menschheit ein.
Demokratisierung der Wirtschaft unter Fernhaltung von neofaschistischen, militaristischen und reaktionären Elementen;

Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamtwirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum;

Mitbestimmung in der gesamten Berufsbildung einschließlich des Schul- und Hochschulwesens;

Verbesserung und einheitliche Gestaltung eines demokratischen Arbeits- und Sozialrechte

Eckpunkte der Geschichte VW-Konzern
Hitler, Porsche, RDA, DAF-KdF, Volks- und Betriebsgemeinschaft
Finanzierungsquellen: Gewerkschaftsvermögen und Zwangsarbeit
1938 Grundsteinlegung Wolfsburg, Vorwerk Braunschweig
Rüstungsproduktion
„Herrenlos“ 1945 – britische Verwaltung
1947 erste Exporte in die Niederlande
1948 Nordhoff wird „Generaldirektor“
1949 Übergabe an Bundesregierung / Landesregierung „zu treuen Händen“, Rückfluss aller Gewinne in den Betrieb, Erweiterungs-Investitionen, Produktivitätssteigerung (Vorsprung)
1950 Beginn des Exportes in die USA,
1951 Hugo Bork (SPD, ex NSDAP) wir Betriebsratsvorsitzender
1953 Gründung VW do Brasilin Sao Paulao
1955 Der Millionste Käfer wird in Wolfsburg groß gefeiert
1956 VW-Werk in Hannover produziert Transporter (Bulli), VW-Werk in Südafrika (Uitenhage/Port Elizabeth) wird gegründet
1957 Cabrio-Produktion in Osnabrück (Karman-Giha)
1958 VW-Werk Kassel beginnt mit der Aggregate-Aufbereitung (Ex-Flugzeug-Werke)
1960 Umwandelung in eine Aktiengesellschaft, > VW-Gesetz, „Volksaktie“
1961 (!) Anwerbung italienischer „Gastarbeiter“
1964 Gründung VW de Mexico, Start VW-Werk in Emden (für US-Markt)
1965 Volkswagen übernimmt die „Auto Union“ (DKW, NSU Audi)
1967 Einführung der 40-Stunden-Arbeitswoche, Krise und Kurzarbeit
1969 Produktion von Kübelwagen für die Bundeswehr
1970 Inbetriebnahme des Werkes in Salzgitter
1971 Gründung / Produktionsbeginn VW-Belgien (Brüssel)
1972 Gründung / Produktionsbeginn VW Jugoslawien (Sarajewo)
1973 Gründung / Produktionsbeginn VW Nigeria
1974 Produktion Käfer läuft in Wolfsburg aus
1976 Gründung / Produktion VW-Werk in USA (Westmorland)
1977 Volkswagen liefert 10.000 Golf in die DDR
1978 Audi produziert das Militärfahrzeug „Iltis“
1979 VW will diversifizieren > Beteiligung an Triupf-Adler“, Büromaschinentechnik
1982 VW startet auf dem chinesischen Markt (Joint venture)
1984 Lizenzfertigung von Motoren in der DDR / Werkzeugmaschinen gehen an VW
1986 VW übernimmt die spanische SEAT
1988 VW-Werk in USA (Westmoreland) wird geschlossen (Absatzkrise)
1989 Volkswagen IFA-PKW GmbH in Karl-Marx-Stadt gegründet
1990 Gründung des europäischen Konzernbetriebsrates, Gründung VW-Sachsen GmbH
Übernahme von Skoda (Tschechien und VW Slowakia)
1991 Start im neuen VW-Werk in Portugal
1992 Krise, Kurzarbeit und Personalabbau in westdeutschen VW-Werken
1993 Start VW Poznan (Polen)
1994 Einführung der 4-Tage-Woche / 28,8-Stunden-Woche VW AG
1995 Affäre um Piëch und Lopez (gestohlene GM-Unterlagen)
1998 Gründung Weltkonzernbetriebsrat
2001 Gründung „Auto 5000“ innerhalb des Werkes in Wolfsburg (2. Tarifvertrag)
2002 Start der Phaeton-Produktion in Dresden (Gläserne Fabrik)
2003 Einstieg bei Scania, In Mexiko läuft der letzte Käfer vom Band
2004 In China werden zwei weitere Produktionsstätten eröffnet
2005 Korruptionsaffäre um Personalvorstand Hartz und Betriebsrat Volkert, Porsche steigt bei VW ein und wird größter Aktionär, Streit um das VW-Gesetz
2006 Abschied von der 4-Tage-Woche. Start Produktion VW-Russland (Kaluga), VW steigt bei MAN ein.
2007 Start Produktion VW Indien (Pune)
2008 Volkswagen wird drittgrößter Automobilproduzent der Welt (nach Toyota und GM)
2009 Produktionsstart im neuen Werk in USA (Chattanooga), Porsche besitzt die Mehrheit der VW-Aktion (Porsche-Piëch-Clan)
2010 VW übernimmt die Mehrheit bei MAN sowie Lamborghin und Ducati
2011 VW übernimmt und entschuldet Porsche-Holding / VW-Aktienmehrheit bleibt bei der Porsche AG (Eigentümer Porsdche-Piëch-Clan)
2015 Manipulation der Verbrauchs- und Abgaswerte

InterSoli Wolfsburg

Globalisierung zwingt zu transnationalen Gewerkschaften!
Kurzer historischer Abriss: Gründung, Aufbau und Aufgaben des Arbeitskreises INTERNATIONALE SOLIDATRITÄT der IG Metall Wolfsburg nebst kleinem Ausblick
I.            Warum war es notwendig und richtig, den Bildungs- und Aktionsbereich „Internationale Solidarität“ bei der IG Metall in Wolfsburg aufzubauen und seit 1982 zu pflegen??
In den 1970er Jahren war die Expansion von Volkswagen weit fortgeschritten, die Werke in Brasilien, Südafrika und Mexiko produzierten schon lange, die Entscheidung für ein Werk in den USA war gefallen, es wurde in Belgien und Nigeria produziert und Audi war übernommen worden. An diesen Entscheidungen waren IG Metall und Betriebsrat direkt durch Mitglieder des Aufsichtsrates oder indirekt beteiligt. Spätestens mit der Entscheidung für den Standort USA stand auch die Frage von Standort und Beschäftigung in Deutschland (Werk Emden) auf der Tagesordnung.
In der IG Metall und im Betriebsrat wurde diskutiert, nach welchen Kriterien die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsratsmitglieder über andere Standorte (mit) entscheiden. Das Ergebnis der Diskussion: Die Mitglieder des AR waren (fast) ausschließlich auf Informationen der Unternehmensseite angewiesen, Informationen seitens IG Metall oder IMB waren spärlich, allgemein und weder auf den Konzern noch auf die konkreten Standorte bezogen. Das ergibt sich auch daraus, dass IGM / IMB nur in sehr großen Abständen Branchen- bzw. Konzernkonferenzen durchgeführt haben: 1979 erstmalig, dann erst wieder 1986 und 1993. Es entstand Einsicht in die Notwendigkeit, sich selbst ein Bild von den Arbeits- und Lebensbedingungen zu machen und Kontakte zu den Gewerkschaften in den anderen Standorten aufzunehmen.
GBR- und AR-Mitglieder (Ehlers, Mogwitz Mihr ua.) machten erste Reisen und berichteten in IG Metall und Betriebsrat. Zugleich wurde deutlich, dass die GBR/AR-Mitglieder in der Vielfalt ihrer Aufgaben und Funktionen überfordert gewesen wären, diese internationale Gewerkschaftsarbeit allein zu gestalten, vorzubereiten, zu beurteilen, nachzubereiten und richtige Strategien daraus abzuleiten. Daraus entstand der Anspruch von Betriebsratsmitgliedern und Vertrauensleuten, an dieser internationalen Arbeit beteiligt zu werden; Walter Hiller (damals Mitarbeiter von Personalvorstand K.H. Briam) und Hans-Jürgen Uhl (damals Referent des BR-Vorsitzenden Ehlers) machten sich zu Fürsprechern und Organisatoren dieses Prozesses.
Eine Schwierigkeit bestand darin, dass die internationale Gewerkschaftsarbeit auch satzungsgemäß die alleinige Aufgabe des Vorstandes der IG Metall war. Ehlers hat deshalb in seiner Eigenschaft als IGM-Vorstandsmitglied mit dem damaligen Vorsitzenden Loderer eine Vereinbarung getroffen, dass in Wolfsburg „ausnahmsweise“ internationale Gewerkschaftskontakte hergestellt und gepflegt werden „dürfen“.

II.          Gründung und Aufbau von InterSoli
Im Jahr 1982 wurden alle IGM-Vertrauensleute (also einschließlich der BR-Mitglieder) zu Wochenendseminaren in die Heimvolkshochschule Hustedt eingeladen, thematisch orientiert an den damaligen überseeischen Standorten Brasilien, Mexiko und Südafrika.
Ausgehend von diesen Seminaren wurden drei Länder-Arbeitsgruppen und – diese zusammenfassend – der Arbeitskreis Internationale Solidarität gegründet.
Inhalt der Seminare waren Informationen über das Land, die Geschichte, die Kultur, die Tradition, die Wirtschaft, die Gewerkschaften und die Politik sowie die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen. Dabei kamen für viele Teilnehmende ganz überraschende Erkenntnisse zu Tage, so z.B., dass es in Südafrika Apartheid gibt und wie die funktioniert, dass es in Brasilien eine Militärdiktatur gibt, mit der das Unternehmen kooperiert und dass es in Mexiko eine Regierungspartei gibt, die sich „Partei der Institutionellen Revolution“ nennt.
Unter Apartheid-Bedingungen gab es in Südafrika lange Zeit keine autonomen Gewerkschaften, sondern nur „schwarze Anhängsel“ an rassistische weiße „Gewerkschaften“, mit denen wir nicht zusammen arbeiten konnten und wollten. Die ersten, in den 1970er Jahren gegründeten nicht-rassistischen Gewerkschaften waren ständiger Verfolgung und Repression ausgesetzt, ihre Mitglieder und Funktionäre wurden oft verhaftet, verschleppt, gefoltert und ermordet.
Unter den Bedingungen der Militärdiktatur in Brasilien wurden gewerkschaftliche Kämpfe auch auf dem Werksgelände von Volkswagen von der Militärpolizei mit Panzerfahrzeugen niedergeschlagen, die Aktivisten ebenfalls verhaftet, verschleppt, gefoltert und manchmal ermordet. Es bedurfte massiver Proteste von IG Metall und Betriebsrat, um die Unternehmensleitung zu zwingen, dem Management in Brasilien die Anweisung zu erteilen, die Werkstore für die Militärpolizei zu schließen und Arbeitskonflikte zivilisiert auszutragen.
Mit diesen Seminaren waren einige Fragen der Gründung von InterSoli praktisch geklärt, so eine gewisse Struktur (Arbeitsgruppen und ein gemeinsamer Arbeitskreis) sowie die Erkenntnis, dass Internationale Solidarität zwingend mit Bildungsprozessen zu tun hat. Nicht zuletzt war praktisch geklärt, dass es für konkrete Internationale Solidarität erforderlich ist, sich in  die Lage der Partner in den anderen Ländern versetzen zu können.
Dazu folgendes Beispiel:
Die TeilnehmerInnen des Seminars zu Südafrika wurden – der Anschaulichkeit halber – in ein Rollenspiel einbezogen, in dem es „Weiße“ und „Schwarze“ gab. Als zum Mittagessen die „Schwarzen“ statt des Menüs mit Fleisch, Gemüse und Kartoffeln einen Teller mit Reis bekamen, reisten einige der Teilnehmenden ab. So genau wollten diese doch nicht wissen, wie sich die Kollegen bei Volkswagen in Südafrika im Verhältnis zu den weißen Managern und Vorarbeitern wohl fühlen mussten.
Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von InterSoli wurde in dem Moment und in dem Maße deutlich, wie die Unternehmensstrategie dazu überging, andere Standort nicht nur zur Erschließung neuer Märkte zu nutzen, sondern sie gegeneinander in den Wettbewerb zu stellen. In Erinnerung sind die seit Ende der 1990er Jahre unter dieser Prämisse gefallenen Produkt-Entscheidungen zum Touareg und zum Touran, gut erinnern wir uns an die Drohung von Dr. Bernhard, den Tiguan und den nächsten Golf nicht in Wolfsburg bauen zu lassen.
Ganz praktisch wurde allen, die sich mit diesen Fragen beschäftigten, klar: Konkurrenz ist das Gegenteil von Solidarität; Solidarität ist heute internationalistisch oder gar nicht! Aktuell wird dieses deutlich bei Nokia, wo Solidarität ohne mitdenken und mithandeln mit Gewerkschaften in Finnland und Rumänien nicht funktionieren kann; deutlich wurde es aber auch nach dem VW-Tarifabschluss im Jahr 2006, als die Golfproduktion aus Brüssel abgezogen und Kollegen aus Wolfsburg bei der Demo in Brüssel nicht gern gesehen und mit solchen Slogans wie „Kein Golf für Adolf“ konfrontiert wurden.
Die Schwierigkeiten internationaler Solidarität wegen verschiedener Sprachen, Kulturen, Traditionen und unterschiedlicher Rechtssysteme ist offensichtlich, müssen aber, wenn wir der Macht des Kapitals etwas entgegensetzen wollen, überbrückt werden.
III.        Ursprüngliche Aufgaben von InterSoli und ihre Entwicklung
Bei der Auswertung der Seminare, der Konstituierung der Arbeitsgruppen (Ländergruppen) und des gesamten Arbeitskreises (InterSoli) haben sich die Aufgaben der konkreten gewerkschaftlichen internationalen Solidaritätsarbeit kristallisiert, die bis heute an Aktualität nicht verloren haben, sondern wieder neu entwickelt werden müssen, mindestens in dem Masse, wie neue KollegInnen zur InterSoli-Arbeit stoßen:
1.    Einarbeitung in die historische Entwicklung und aktuelle Situation im jeweiligen Land und an den Standorten, bezogen auf politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte.
2.    Aufbau einer möglichst kontinuierlichen Kommunikation und eines gegenseitigen Austausches mit Belegschaftsvertretern an den jeweiligen Standorten bezogen auf soziale und gewerkschaftliche Forderungen und Positionen. Auf der Grundlage der Information und Einbeziehung der Beschäftigten in der Bundesrepublik initiiert der Arbeitskreis konkrete Solidaritätsmaßnahmen, wenn die aktuelle Situation vor Ort dies erfordert und es gewünscht wird.
3.    Qualifizierung der Vertrauensleute und der Beschäftigten bei VW in Wolfsburg zur internationalen Gewerkschaftsarbeit sowie Information über die Kommunikation, über Probleme, Kämpfe, Niederlagen und Erfolge der Belegschaften anderer Standorte.
Entscheidend für die erste Aufgabe war die Erkenntnis, dass wir nicht gleichberechtigt mit unseren Kollegen aus anderen Ländern kommunizieren können, wenn wir uns mit ihrem Land, ihrer Kultur und Tradition nicht vertraut gemacht haben. Anders gesagt, werden wir in viele Fettnäpfchen treten, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.
So genießt zum Beispiel die Mitbestimmung in ihrer unternehmerischen, betrieblichen, gewerkschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Dimension eine völlige Alleinstellung: nirgendwo außer in Deutschland gibt es eine solche Konstruktion.
Aus anderen Erfahrungen heraus sehen andere Gewerkschaften diese deutsche Eigenart kritisch, sofern sie sie überhaupt verstehen: Wie kann ein Vertreter der Belegschaft im Aufsichtsrat, im höchsten Unternehmensorgan mitarbeiten, Unternehmensentscheidungen mit tragen, ohne seine Basis zu verraten?
Wenn wir mit Schlips, Kragen und Phaeton vorführen und als erstes mit dem Management zum Lunch gingen, dann würden wir sicher mit Unternehmensvertretern gleichgesetzt – das Misstrauen auf Seiten unserer Kollegen wäre verstärkt und bestätigt, die Zusammenarbeit fast unmöglich. Es gibt bedauerliche und bekannte Beispiele für solch abgehobenes Verhalten, die unsere Arbeit behindert haben und weiter erschweren.
Ähnlich verhält es sich mit unserem dualen System der Interessenvertretung und dem Betriebsverfassungsgesetz – fast nirgendwo gibt es neben der gewerkschaftlich organisierten und gewerkschaftlich beauftragten betrieblichen Interessenvertretung noch ein gesetzliches Organ „Betriebsrat“, der zur vertrauensvollen Zusammenarbeit, zur Geheimhaltung und auf den Betriebsfrieden verpflichtet ist.
Andererseits haben wir uns mit Basisdemokratie, Workers Control, der Rolle von Shop Stewards, Comisao de Fabrica und „no reelaccion“ vertraut gemacht, neuerdings auch mit der „harmonischen Gesellschaft“, ebenso mit den gewerkschaftlichen Arbeitsbedingungen in einer Militärdiktatur bzw. der Apartheid und hatten dabei Formen konspirativer Tätigkeit zu erlernen und anzuwenden.
Zum Beispiel war es nicht möglich, der südafrikanischen NUMSA unsere Spenden für ihre gewerkschaftliche Bildungsarbeit auf ein Konto zu überweisen; wir haben das Geld, das wir beim Zoll als Taschengeld von Touristen deklariert hatten, verdeckt übergeben.
Insgesamt haben wir erfahren, dass internationale Solidarität ein gegenseitiger Lernprozess ist, denn die Ergebnisse der Kämpfe von Gewerkschaften mit anderen Traditionen sind oft nicht schlechter als die Ergebnisse unserer gewerkschaftlichen Anstrengungen.
Die Umsetzung dieser ersten Aufgabe war und ist im besten Sinne des Wortes ein nicht endender Prozess der interkulturellen gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Nicht endend deshalb, weil neue Kolleginnen und Kollegen sich dieses immer wieder und immer neu erarbeiten müssen und weil die Bedingungen selbst sich mit wachsender Geschwindigkeit verändern, so wie sich durch den Europäischem Betriebsrates und den Weltkonzernbetriebsrat die Voraussetzungen der InterSoli-Arbeit wesentlich verändert haben.
In diesem Prozess wird jede und jeder erkennen, dass die in Erwerbsarbeit stehenden Menschen auf der ganzen Welt das gleiche wollen, den gleichen Anspruch und das gleiche Recht haben: Für gute Arbeit wollen wir mindestens soviel Entgelt, dass wir mit unseren Familien gut leben können und unsere Kinder eine gute Zukunft haben! Internationale Solidarität besteht also darin, diesen gemeinsamen Anspruch in gemeinsamen oder parallelen Aktionen umzusetzen und den vielfältigen Bemühungen des Kapitals, der Regierungen und der Medien um Spaltung und Differenzierung entgegen zu wirken.
Mit der zweiten Aufgabe sind wir an ganz praktische Schwierigkeiten gestoßen. Solidarität setzt Vertrauen voraus, dieses wiederum Kommunikation. Dabei stellen wir fest, dass wir verschiedene Sprachen sprechen; niemand muss Abitur oder Studium hinter sich haben, um bei uns mit zu tun, also kann Sprachkompetenz nicht vorausgesetzt werden. Ganz anders bei den Managern, bei denen Englisch rund um den Erdball Standard ist.
Um uns zu besuchen, uns und unsere Lebensbedingungen gegenseitig kennen zu lernen, müssen wir Entfernungen überbrücken, die für uns nicht alltäglich sind. Während Manager in Videokonferenzen mit allen Werkleitern rund um den Erdball kommunizieren, müssen wir Monate oder Jahre warten, bis eine Begegnung in Deutschland oder einem anderen Standort möglich ist. Während wir Urlaub und eigenes Geld in ganz seltene Besuche bei unseren Kollegen „investieren“, stehen für die Unternehmensleitung am Flughafen in Braunschweig ständig ein Düsenjet oder ein Linienflug in First class zur Verfügung; anschließend jammern sie über den Jetlag.
Schließlich stellen wir bei unseren Besuchen und Gesprächen fest, dass die gewerkschaftlichen Forderungen auf einem anderen betrieblichen und sozialen Hintergrund oft anders sind als bei uns, zum Beispiel bezogen auf die Länge der Arbeitszeit, die Höhe der Personalkosten oder den Einsatz von Leiharbeitern. Die Kollegen in einem Betrieb in Polen haben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden gegen die Verkürzung und Reglementierung der Arbeitszeit ausgesprochen, weil sie lange und flexible Arbeitszeiten als wichtigen „Heimvorteil“ zur Sicherung ihrer Beschäftigung betrachteten; die Gewerkschaft bei Skoda fühlte sich lange nicht zuständig für die „Gastarbeiter“ aus Polen, die sowieso nur in der Nachtschicht gearbeitet haben.
Auf wenige Beispiele aus einer Vielzahl von Solidaritätsaktionen für Brasilien und Südafrika wurde bereits hingewiesen. Zu Mexiko nur das Beispiel, als bei einem Streik durch Informationen von InterSoli verhindert wurde, dass in deutschen Werken eine zusätzliche Produktion zur Kompensation der streikbedingten Ausfälle durchgeführt wurde.
Wichtig ist, dass diese Solidarität erwünscht sein muss, dass Solidarität keine „großzügige Hilfe von den reichen Onkels aus dem Norden für die armen Willis im Süden“ ist, sondern auf Anerkennung, Toleranz, Gegenseitigkeit, Selbstlosigkeit und Gleichberechtigung beruht. Eitelkeit ist der Tod von Solidarität, Liebe, Respekt und Achtung, “
IV.         Kleiner Ausblick
Inzwischen ist die Globalisierung von Entwicklung, Produktion, Einkauf, Logistik und Vertrieb bei Volkswagen weit fortgeschritten, die weltweite Zusammenarbeit mit Zulieferern und Dienstleistern wurde ausgebaut und standardisiert.
Daraus wurden für die internationale Gewerkschaftsarbeit der IG Metall in Wolfsburg praktische Schlussfolgerungen gezogen, wie die Kooperation mit den Gewerkschaften bei SEAT und das basisnahe Netzwerk mit den Gewerkschaften in Südamerika und der iberischen Halbinsel.
Es ist die Erkenntnis gereift, dass wir uns mit den Gewerkschaften verbünden müssen, die – wie in Wolfsburg – die größer werdende Anzahl der Beschäftigten bei Leiharbeitsfirmen und Zulieferern organisieren. Unser Blick geht über den Kern von VW auch an anderen Standorten hinaus, wir suchen Verbindung zu den Beschäftigten von Schnellecke, Hella, VDO, Eisenmann oder wie immer die oft gleichen Zulieferer von Volkswagen heißen, die in Industrieparks vor denWerktoren produzieren oder – wie in Resende – bereits ganze Gewerke wie „Karosseriebau“ oder „Lackiererei“ betreiben. Insoweit bemühen wir uns nicht nur um betriebliche Kontakte, sondern zunehmend um Kontakte zu den örtlichen Gewerkschaftsorganisationen, so wie wir selbst auch eine sind.
InterSoli war globalisierungskritisch, bevor es diesen Begriff gab. Wir haben zusammen mit der Anti-Apartheidbewegung, der Soli-Bewegung für Lateinamerika, den kirchlichen und gewerkschaftlichen Solidaritätsgruppen, dem DGB-Nord-Süd-Netz und seit einiger Zeit mit attac gemeinsam für internationale Solidarität gekämpft und gestritten. Wir haben uns in die Sozialforumsbewegung  eingebracht und an den Sozialforen in Porto Alegre, Nairobi, Florenz, Paris und London beteiligt. Das alles muss weiter entwickelt werden, weil internationale Solidarität weder vertikal noch horizontal möglich ist, sondern nur rund, kreuz und quer.
Unserem Traum von einer anderen Welt, auch von einer anderen Arbeitswelt, kommen wir näher, wenn die internationale Solidarität gegenüber der Konkurrenz dominiert. Die Welt ist keine Ware, wir sind als abhängig Beschäftigte keine Ware, keine Schachfiguren, die der Unternehmer nach belieben hin und her schieben oder vom Brett schlagen kann; wir sind so wenig Ware wie Bildung, Gesundheit, Wasser oder Luft.
Eine andere Welt ist möglich, wenn die Privatisierung und Enteignung alles Öffentlichen wie unseres Unternehmens oder der Bahn oder der Energieversorgung gestoppt und rückgängig gemacht werden kann. Das entspräche den geschichtlichen Erfahrungen und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland!

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